Ich hatte erwogen, mir die Happy-Go-Lucky Kritik zu ersparen. Fast zwei Stunden ist dieser Streifen lang, hat mich schon genug Lebenszeit gekostet... Die Preview war in deutsch - möglich, dass die Originalfassung ein wenig besser kommt, aber ich bin nicht bereit, das zu testen.
Den Ankündigungen zufolge soll Happy-Go-Lucky ein humorvolles Feel-good-movie sein, eine Komödie. Selbst der Trailer ist derart rasant zusammengeschnitten, dass man das glauben könnte, vielleicht sogar annimmt, es könnte sich um eine romantische Komödie handeln. Leider ist Happy-Go-Lucky aber höchst nervig und stellenweise derart langatmig, dass ich sogar Mühe hatte, wach zu bleiben. (Nein, die Preview fand nicht zu fortgeschrittener Stunde statt.) Zwei andere Zuschauerinnen verließen schon nach den ersten 30 Minuten die Vorstellung - ich wünschte mir hinterher, ich wäre einfach auch gegangen. Aber ich hatte Hoffnung, dass sich in Happy-Go-Lucky noch etwas tut, dass sich das Leiden und die Engelsgeduld letztendlich auszahlt. War nicht. Falls ich in der Zukunft nochmal eine derart fürchterliche Zeit im Kino erlebe, werde ich mein Geld zurückverlangen. Das hätte ich nach dieser Preview auch machen sollen --- allerdings wollte ich da nur noch so schnell wie möglich 'raus aus dem Kino...
Da Filmemacher Mike Leigh (Vera Drake) es nicht für nötig hält das, was er mit Happy-Go-Lucky vermutlich sagen will, via einer halbwegs unterhaltsamen Story zu vermitteln, werde ich hier auch nicht die übliche Filmkritik bringen, sondern nur schnell ein paar Worte...
Eine durchgehende Story gibt es in Happy-Go-Lucky nicht, als Charakterstudie taugt der Film mangels authentischer Figuren auch nicht.
Poppy (Sally Hawkins) ist eine nervige Grundschullehrerin, die niemanden mit ihrem Gequassel verschont. Das soll uns als "happy" und gutgelaunt verkauft werden. Sie hält nur dann die Klappe, wenn man hoffen würde, dass sie ihren Mund aufmacht und ihre Meinung sagt, zum Beispiel gleich beim ersten Mal, als ihr Fahrlehrer (Eddie Marsan, Hancock) eine rassistische Bemerkung macht. Der Fahrlehrer ist ein Klischee, steht für jedes Vorurteil unter der Sonne. Moment, er steht nicht nicht nur dafür, er nennt sie alle sein eigen. Eddie Marsan ist beeindruckend in der Rolle als Fahrlehrer Scott.
Die im Happy-Go-Lucky Trailer verstümmelte Szene im Buchladen ist in Wirklichkeit viel länger, denn Poppy muss den bemitleidenswerten Buchhändler, dem der Sinn nicht nach Small Talk steht, gehörig vollquatschen. Sie beweist hiermit gleich ihre Respektlosigkeit und die fehlende Sensibilität gegenüber anderen Menschen (der Buchhändler läuft ihr einfach davon, doch das interessiert sie nicht, sie macht weiter). Auch schwer zu ertragen ist eine über Gebühr ausgedehnte Szene, in der wir ein paar betrunkenen Frauen (inkl. Poppy) ewig lange zuhören müssen, wie sie über wenig interessantes reden. Als einziger bei einer Party nüchtern zu sein ist nicht sonderlich aufregend, wir haben das sicher alle schon erlebt, und so ist auch diese Szene für die Zuschauer.
Nachdem wir Poppy hassen gelernt haben, werden uns dann ein paar Szenen geliefert, die diesen Blick revidieren sollen. Das haut nicht hin. Too little, too late - das ist die einzige Antwort, die mir dazu einfällt. Die Puzzle-Teile fügen sich nicht zu einem Bild zusammen, Poppy wird nicht zu einer glaubhaften dreidimensionalen Figur.
Ach ja, ein Mann fällt ihr dann gegen Ende auch noch vom Himmel in einer der Szenen, wo eigentlich nur noch ein Comic-Armor mit Pfeil und Bogen und ein innerer Monolog fehlt.
Wenn die Mogelpackung Happy-Go-Lucky, die keine Komödie ist, wenigstens ein halbwegs interessantes Drama oder eine interessante Charakterstudie wäre, dann wäre ich zufrieden, auch wenn mir eine Komödie angekündigt wurde. Man ist ja flexibel. Doch dieses unausgegorene Patchwork kommt daher wie das Ergebnis eines Brainstormings, das man 'mal eben mit improvisierten Szenen und wenig Editing auf Spielfilmlänge gebracht hat, um eine Deadline einzuhalten.
Nach der Vorstellung unterhielt ich mich noch mit einer Zuschauerin über die Szene, die mir am besten gefallen hat. Fast in jedem Film, sei er auch noch so grottig, gibt es bekanntlich mindestens eine gute Szene. In Happy-Go-Lucky war das für mich eine Szene mit Poppy und einem obdachlosen Mann. Das ist eine tolle, wunderbar ausdrucksstarke Szene. "Die ist völlig zusammenhanglos, die Szene, wie eingeschoben aus einem anderen Film", meinte die Zuschauerin. Damit liegt sie völlig richtig. Den Film, in den diese Szene passen würde, mit dieser Poppy, den würde ich liebend gerne sehen.....
Happy-Go-Lucky deutscher Trailer (1:48)
Original-Trailer Happy-Go-Lucky engl. (1:47)
Happy-Go-Lucky - deutscher Kinostart: 03.07.08 - FSK: ab 6 Jahren