16.06.2007

Du bist nicht allein - Katharina Thalbach, Axel Prahl

Der preisgekrönte Drehbuchautor und Regisseur Bernd Böhlich wartet diesmal mit einer fast gänzlich humorfreien Tragi"komödie" auf, die beim TV besser aufgehoben wäre als im Kino. Er wollte mit Du bist nicht allein anscheinend einen Film über die Bedeutung von Arbeit, Identitätsverlust und den Auswirkungen von Arbeitslosigkeit auf Ehepaare machen.

Hört sich interessant an, macht allerdings keinen Film -
das bisschen Handlung in Du bist nicht allein (normalerweise gerade mal genug für einen ersten Akt, also 20 bis höchstens 30 Minuten) ist komplett vorhersehbar und gibt dem Wort "langweilig" eine neue Dimension. Der Film hat ein paar gute Szenen, der Rest trieft vor Klischees und Proll-Schmalz.

Die absolute Krönung ist eine kitschige, total deplatziert wirkende Show-Off Szene. Guck, Ma, Special Effect! Oh-so bedeutungsvolle Szene!!...... Sowas sieht man oft in Abschlussarbeiten von Filmschülern...

Story:

Du bist nicht allein zeigt uns das stinklangweilige Spießerleben des arbeitslosen Herrn Proll Moll (Axel Prahl) und seiner Frau (Katharina Thalbach) im Berliner Plattenbau. 60er/70er Jahre Deko, Wachstuch-Tischdecke inbegriffen. Als dann Jewgenia (Ekaterina Medvedeva) mit ihrem Hausstand den Aufzug betritt, ist jedem klar, was kommen muss: Herr Moll wird sich in sie verlieben. Wir erwarten das Desaster.... und warten. Warten. Warten auf Handlung, warten, dass irgendeine Story in's Rollen kommt. Nun ja, siehe oben.

In einer von Thalbach exzellent gespielten Szene erfahren wir, dass Frau Moll nun Arbeit hat. Arbeit! Die Inbrunst, mit der Frau Thalbach die Worte spricht - genial. Nun hat ihr Mann natürlich Zeit genug, die er mit Jewgenia verbringen kann. Wenn er schon keine Anerkennung für seine Arbeit bekommt, dann soll wenigstens eine Frau ihn brauchen. Das ist sein Ding, da hängt seine Identität dran. Ohne das weiss der Mann nicht viel mit sich anzufangen. Freunde scheint er - auch in seiner von Arbeitslosigkeit gezeichneten Umgebung - keine zu haben, er geht nicht zum "Hartz IV Bier" inne Kneipe. Nix.

Wir schauen also zu wie wieder und wieder auf den selben Beat eingedroschen wird. Moll hilf Jewgenia. Moll bietet Jewgenia seine Hilfe an, sie akzeptiert etc. Er erwartet etwas von ihr für seine Mühe, wow, wer hätte das gedacht?

In einer völlig unrealistischen Szene macht er dann auch noch mal eben 200 € locker und spendiert Jewgenia eine Waschmaschine. Das, obwohl seine Frau mit jedem Cent rechnet beim Würstschenkauf? Als Frau Moll nach dem Verbleib des Geldes fragt, faselt er etwas von einem Sprachkurs - und das genügt seiner Frau. Sicher doch. Auch hat Moll viel Geld übrig, um Jewgenias Tank mit teurem Benzin zu füllen. Du bist nicht allein zeigt uns, dass es anscheinend noch Luft für Kürzungen bei Hartz IV gibt, zumindest bei Ehepaaren.

In der titelgebenden Szene erleben wir eine anrührende Performance von Axel Prahl. Leider ist das eine Szene, die Fragen aufwirft. Jewgenia hat sich nämlich ein Wohnzimmer voll Freunde bzw. Verwandte eingeladen. Offensichtlich wurden die von Scotty (Gott hab' ihn selig) von weit weit weg dahingebeamt, denn bei Jewgenias Einzug war keiner da, um ihr zu helfen. Axel Prahl singt also Du bist nicht allein, erst widerstrebend und leise, dann immer kräftiger. Schön gemacht.

Während Frau Moll ihren neuen Job beim Wachdienst hat und Herr Moll seiner Verknalltheit frönt, die Jewgenia auszunutzen versteht, stehen die Aktien für den arbeitslosen Physiker Wellinek (Herbert Knaup) denkbar schlecht. In einer Szene, die man Böhlich übelnehmen muss, steht Wellinek im Arbeitsamt und schreit die Sachbearbeiterin an. Es sei ihr Job, ihm Arbeit zu vermitteln.

Der arbeitslose Akademiker, der auch noch Alkoholiker ist,, lebt von seiner Frau getrennt, der er gehörig nachtrauert. Streng nach dem Handbuch schämt er sich auch gehörig für seine Arbeitslosigkeit und damit der Film sich weiter in die Länge ziehen kann, hat Wellinek praktischerweise - wie die anderen auch -Null Ideen, was er mit seiner Zeit anfangen könnte. Ausser der, seiner Frau aufzulauern, um sie in seine neue Bude im Plattenbau einzuladen, was sie natürlich ablehnen muss, weil sonst könnte es eventuell interessant werden.

Die Lösung, die Frau Welinek für ihren Angetrauten parat hat - unbezahlte, ehrenamtliche Arbeit, die seinem Leben wieder einen Sinn geben soll - ist eine "Lösung", die in das parallele Universum passt, in dem man Du bist nicht allein angesiedelt vermutet..... dort gibt es anscheinend das Bürgergeld. Zumindest würde das einige der Ungereimtheiten erklären.

Du bist nicht allein macht den insgesamt Eindruck, als hätte das Drehbuch jahrelang in einer Schublade gelegen und auf Produzenten gewartet. Die Geschichte, wenn man das mal großzügig so nennen mag, zeigt uns nichts, was wir nicht schon wissen, was wir nicht tagtäglich hören und sehen, worüber wir nicht schon Studien gelesen und -zig Reportagen gesehen haben etc. Absolut nichts.

Preview gesehen am 15.05.2007 im UCI, Berlin

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