13.04.2008

Tödliche Entscheidung Kritik - Ethan Hawke, Philip Seymour Hoffman

Tödliche Entscheidung (9,5/10)

Genre: Drama/Thriller -- FSK: 16 -- deutscher Kinostart: 10.04.2008

Zwei Dinge vorneweg: Tödliche Entscheidung (OT: Before the Devil Knows You're Dead) ist ein sehenswerter und spannender Film. Nix wie hin und angucken, am besten in der OV. Und zweitens... Drehbuchautor Kelly Masterson ist - entgegen anders lautenden Presseberichten - ein Mann. Hihi, kann ja mal passieren. Mehr zu Kelly Masterson und dem Drehbuch gleich. Worum geht's in Tödliche Entscheidung?

Reisen, eine anspruchsvolle sexy Ehefrau und harte Drogen vom High Society Dealer - Andrew "Andy" Hanson (Philip Seymour Hoffman, Der Krieg des Charlie Wilson, demnächst: Die Geschwister Savage) finanziert sich seinen teuren Lebensstil durch "kreative Buchhaltung" an seinem Arbeitsplatz in einer Immobilienfirma. Als eine Steuerprüfung ansteht, wird Andy wieder kreativ. Er plant einen Raubüberfall auf das Juweliergeschäft seiner Eltern. Die Drecksarbeit - sprich: die Durchführung des Überfalls - soll sein jüngerer Bruder Hank (Ethan Hawke, demnächst: Tonight at Noon, Staten Island) übernehmen. Hank zu manipulieren und unter Druck zu setzen ist relativ einfach, ist der geschiedene Familienvater doch mit den Unterhaltszahlungen schon 3 Monate in Verzug und hält den Druck und sein schlechtes Gewissen eh' kaum noch aus. Hinzu kommt, dass er mit Andys Ehefrau Gina (Marisa Tomei, Wild Hogs, demnächst War, Inc.) ein Verhältnis hat und sie liebt.

Was der berechnende Andy nicht einkalkuliert hat sind Hanks Skrupel. Denn der heuert nun wiederum den Kleinkriminellen Bobby (Brian F. O'Byrne, Rezept zum Verlieben. Als nächstes in Tom Tykwers The International) an, der letztlich allein - und entgegen der Instruktionen von Hank, bewaffnet - den Überfall durchführt. Auch hat Andy sich am Tag des Überfalls nicht noch einmal rückversichert, dass tatsächlich die sehbehinderte Angestellte den Laden betreut. Beim Raubüberfall wird Bobby von Mutter Nanette Hanson (Rosemary Harris, Spiderman 3) erschossen, die selbst lebensgefährlich verletzt wird. Beute? Null. Kurze Zeit später fängt der mit der Arbeit der Polizei unzufriedene Vater Charles Hanson (Albert Finney, Das Bourne Ultimatum) an, selbst zu recherchieren. Und Mitwisser gibt es auch noch...

Völlig high sagt Andy in einer Szene zu seinem Dealer, dass in der Buchhaltung immer alle Rechnungen wunderbar aufgehen. In seinem Leben aber nicht, da stimmt die Summe nicht, nichts passt zusammen. Das Leben kann man, wie man an dieser Geschichte sieht, auch nicht so manipulieren, dass sich alles wunderbar fügt... Und wenn man den Film ganz gesehen hat, dann wird man sich nicht mehr fragen, wieso Andy so gewalttätig ist, sondern eher, woher der immer nur reagierende, naive und romantische Hank eigentlich seine Skrupel hat....

Tödliche Entscheidung funktioniert exzellent als Familiendrama mit interessanten Figuren aber auch als Thriller, der die Spannung bis zum schockierenden Ende hält.

Was besonders gut funktioniert für Tödliche Entscheidung ist der Umgang des Drehbuchautors Kelly Masterson mit Zeit und Erzählperspektive. So sehen wir zuerst den schief gelaufenen Überfall, dann springen wir 3 Tage zurück und sehen, wie Andy alles angeleiert hat. Durch den ständigen Wechsel der Erzählsperpektive erfahren wir auch viel über die Motivation von Andy und auch Hank. Ihre Entscheidungen sind völlig nachvollziehbar und machen in dem Moment für den Menschen auch Sinn, wenngleich sich hinterher die Situation dadurch noch verschlimmert. Später in der Geschichte kommt auch noch die Perspektive des recherchierenden Vaters hinzu, was die Spannung noch erhöht.

Was mich ein bisschen stört, jetzt so im Nachhinein, sind die weiblichen Figuren. Die schießwütige Mutter, die keifende Ex-Ehefrau, Bobbys Witwe, aber vor allem Gina, Andys Ehefrau und Hanks Geliebte. Gina ist eine Hure, die unter dem Deckmäntelchen des Trauscheins sich aushalten lässt und sich für den Sex den Bruder greift. Klar wird die Story getrieben von den Fehlern und Charakterschwächen der Figuren. Doch während man bei Hank und Andy nicht nur deren Fehler, sondern auch ihre Verzweiflung sieht, die Hilflosigkeit und auch die Motivation verstehen kann (zumindest bei Hank völlig), bleibt Gina die Hurenfigur, die sich meistbietend verkauft - und wenn keine Kohle mehr da ist, dann ist auch Gina weg.

Kelly Masterson schrieb das Drehbuch zu Tödliche Entscheidung schon vor 8 Jahren und hatte schon nicht mehr daran geglaubt, dass es verfilmt werden würde. Es ist sein erstes Drehbuch. Masterson schrieb nach seinem Theologie-Studium etliche Theaterstücke, für die er auch Auszeichnungen einheimsen konnte. Doch mit Drehbüchern ist es nicht so einfach wie mit Theaterstücken....

In einem Interview für die Writers Guild of America, West (also der Autorengewerkschaft) erzählt Drehbuchautor Kelly Masterson, dass er direkt vor der Arbeit an Tödliche Entscheidung den Roman Reservation Road (deutscher Titel: Eine Sekunde nur) von John Burnham Schwartz gelesen hatte. [In dem Roman geht es auch um zwei Männer, die durch eine Tragödie verbunden sind und die mit den Auswirkungen kämpfen, mit Fragen der Schuld, der Moral und Verantwortung.] Masterson war von der Erzählstruktur fasziniert und davon, wie die Geschichte abwechselnd aus der Perspektive der beiden Männer erzählt wird. Die Struktur ist in der Tat ähnlich. Reservation Road wurde auch verfilmt und kommt ab 19.06.08 in deutsche Kinos unter dem Titel Eine Sekunde nur (mit Joaquin Phoenix und Mark Ruffalo in den Hauptrollen). Filminfos + Trailer dazu:>> Ein einziger Augenblick

Kelly Mastersons Drehbuch Tödliche Entscheidung wurde für mehrere Preise nominiert, unter anderem für den begehrten Indepedent Spirit Award. Auch die fabelhafte Leistung des Esemble Casts wurde für mehrere Preise nominiert und gewann den Gotham Award, den Boston Society of Film Critics Award und den Satellite. Die Performances der Schauspieler sind tatsächlich alle so gut, dass man keinen besonders hervorheben kann.

Regie-Altmeister Sidney Lumet musste den Produzenten vermutlich keine Dailies zum Absegnen vorlegen und hatte vermutlich viele Freiheiten inklusive Final Cut. Im großen und ganzen ist Tödliche Entscheidung sehr professionell gemacht. Zwei Sex-Szenen (eine mit Marisa Tomei und Philip Seymour Hoffman und eine mit Marisa Tomei und Ethan Hawke) geben dennoch Anlass zu Kritik.

Es ist schon fast lächerlich, wie sehr der 83jährige Lumet an den alten double standards festhält: Da muss Marisa Tomei nur mit einem Spitzen-Höschen bekleidet vor der Kamera herumlaufen, während Ethan Hawke auf dem Bett liegt - natürlich auf dem Bauch. Für die allererste Szene von Tödliche Entscheidung, einer Kopulations-Szene Tomei/Hoffman mit Spiegelschrank und so, wird Hoffmans Hintern gnädig mit einem Kissen halb verdeckt (vielen Dank, wenigstens das), während Frau Tomei der Welt ihre Nippel im Verlauf der Szene natürlich im Close-Up präsentieren muss. Wir würden gerne vorschlagen: wenn schon derartig überflüssige Shots sein müssen, dann wenigstens das gleiche Maß an Eye-Candy von den Männern. Ethan Hawk ist schnucklig genug. Alternativ könnte man natürlich auch mehr Zurückhaltung üben --- und sich die überflüssigen Shots zu einem Privat-Reel zusammenschneiden und für die private Peep-Show mit nach Hause nehmen. Nur so 'ne Idee.

Tödliche Entscheidung (OT: Before the Devil Knows You're Dead)

Drehbuch: Kelly Masterson
Regie: Sidney Lumet (Find Me Guilty - Der Mafiaprozess, Gloria, Sterben und erben)

Tödliche Entscheidung Cast:
Hank - Ethan Hawke
Andy - Philipp Seymour Hoffman
Gina - Marisa Tomei
Charles Hanson - Albert Finney
Nanette Hanson - Rosemary Harris
Bobby - Brian F. O'Byrne

Tödliche Entscheidung deutscher Trailer (2:21)



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