22.02.2010

An Education Kritik + Trailer

Fast genau ein Jahr, nachdem Besteller-Autor Nick Hornby (About A Boy, High Fidelity, hier: Drehbuch) und Regisseurin Lone Scherfig ihren Film An Education auf der Berlinale vorstellten, läuft er in den deutschen Kinos an, wenn auch leider nur in rund 100 Häusern. Das ist schon deshalb bedauerlich, weil jedes Mädchen und alle Eltern, die Töchter haben, diesen Film sehen sollten. Und das nicht (nur), weil Carey Mulligan eine herausragende Performance liefert, der Film per se sehr unterhaltsam ist und insgesamt 3 Oscar-Nominierungen erhalten hat.

An Education basiert auf einem kurzen Kapitel der Memoiren der erfolgreichen Journalistin Lynn Barber, die mittlerweile in Gänze als Buch erschienen, allerdings bis dato nur in der Originalsprache erhältlich sind (Link zum Buch: An Education). Hornby und seine Frau, die Produzentin Amanda Posey, sicherten sich die Filmrechte zu der Geschichte und setzten alles daran, das Projekt zu realisieren.

An Education spielt im Großbritannien im Jahre 1961, als Stimmung und Denke noch sehr 50er-Jahre-mäßig waren. Die 16jährige Schülerin Jenny (fabelhaft: Carey Mulligan, Public Enemies, demnächst: Wall Street 2 - Geld schläft nicht) hat nur ein Ziel: Sie will es schaffen, von der Oxford University angenommen zu werden und dort Englisch studieren. Über die gängige "Alternative", einfach einen Mann zu heiraten, der möglichst auch noch den sozialen Aufstieg sichert, macht sie sich anfangs keine Gedanken.

Ihr engstirniger Vater Jack (Alfred Molina, demnächst: Prince of Persia: Der Sand der Zeit) unterstützt sie nach Kräften, auch wenn er nicht wirklich einsieht, warum er für die Ausbildung einer Tochter so viel Geld ausgeben soll. Er hat für Jenny eine Strategie entwickelt, zu der auch das Cello spielen gehört. Dass seine Tochter gerne französische Chansons hört und überhaupt komplett frankophil ist, sieht er als wenig nützlich an. Der Zuschauer bekommt schnell den Eindruck, dass Jennys Vater selbst nicht in Oxford oder sonstwo studiert hat. Jennys Mutter Marjorie (Cara Seymour, Die Geschwister Savage) ist zwar lockerer drauf, aber andererseits ist sie eine typische 50er Jahre Hausfrau und hat wenig zu melden. (Foto* rechts: Carey Mulligan)

Jenny sehnt sich nach einem aufregenden Leben und interessiert sich - wie viele ihrer Mitschülerinnen und Mädchen dieser Altersgruppe generell - nicht unbedingt für die gleichaltrigen Jungs. Das muss auch der schüchterne Graham (Matthew Beard, demnächst: Hippie Hippie Shake) lernen. Er hat es zwar geschafft, zum Tee bei seiner Angebeteten Jenny eingeladen zu werden, doch wird er "aussortiert" - nicht nur von der eh' desinteressierten Jenny, sondern auch von Jennys Vater, der bei Graham die nötigen beruflichen Ambitionen vermisst.

Im strömenden Regen lernt Jenny den mehr als doppelt so alten David (super besetzt: Peter Sarsgaard, Orphan - Das Waisenkind, demnächst: Knight and Day) kennen, der ihr anbietet, ihr Cello und sie in seinem braunen Bristol (ein Luxuswagen, der in limitierter Auflage hergestellt wird) mitzunehmen. Natürlich steigt sie nicht gleich ein. Doch mit viel Geduld und Humor kommt David an sein Ziel. Als Jenny in seinem Auto sitzt, erzählt sie ihm bald von ihren Träumen und Sehnsüchten. David nimmt sie ernst und behandelt sie wie eine Erwachsene. In dieser Szene stellt Hornby seinen David auf geniale Weise vor. Interesse, Freundlichkeit und der demonstrative Einsatz von Geld und Statussymbolen fassen Davids Strategie exzellent zusammen. Und: David liebt die Herausforderung.

Mit der gleichen Strategie überzeugt er bald auch ihre Eltern davon, dass er ein passender Umgang für ihre Tochter ist. Als er gegenüber Jack erwähnt, dass er in Oxford studiert hätte, rechnet der sich natürlich Vorteile für seine Tochter aus. So ein "Insider" hat doch bestimmt Beziehungen oder kann wenigstens unbezahlbare Tips geben. Gleichzeitig kann Jack mit der Billigung der Beziehung demonstrieren, dass er kein Antisemit ist (sondern anscheinend nur die ungebildeten und weniger betuchten Juden verachtet, an die er seine Tochter nie verschachern würde). Nach einem höchst unglücklichen verbalen Ausrutscher im Hausflur fühlt er sich dementsprechend unter Zugzwang, was David nicht entgeht. (Foto* links: Jennys Eltern sind beeindruckt... Molina, Seymour, Mulligan, Sarsgaard)

David demonstriert mit teuren Geschenken seinen Wert und beeindruckt die Eltern derart, dass diese bald seinen an sich völlig indiskutablen und unpassenden Wünschen zustimmen. Jenny will zwar mindestens bis zu ihrem 17. Geburtstag Jungfrau bleiben, aber das stört David nicht (siehe seine Strategie).

Er nimmt Jenny mit zu einer Kunstauktion, bei der sie seinen Freund und Geschäftspartner Danny (Dominic Cooper, Mamma Mia!) und dessen Freundin Helen (Rosamund Pike, Surrogates: Mein zweites ich, demnächst: Barney's Version) kennenlernt. Zu viert besuchen sie Konzerte, teure Restaurants und Jazzclubs. Helen hilft Jenny beim Übergang von Schuluniform zu Erwachsenenoutfits, für die David natürlich auch aufkommt. David nimmt Jenny sogar mit in's "gelobte Land" - nach Paris! (Foto* rechts: Mulligan und Sarsgaard)

Durch die Unterstützung der Eltern und die Bewunderung der Mitschülerinnen fühlt Jenny sich bestätigt und kommt sich sehr erwachsen vor. Einzig ihre Lehrerin Miss Stubbs (Olivia Williams, Miss Austen Regrets, Der Ghostwriter) äußert höchst ungeschickt ihre Bedenken, denen sich später auch die Schulleiterin (Emma Thompson, Liebe auf den zweiten Blick) anschließt. Doch Jenny lacht nur über die Meinung der "alten Jungfern". Was wissen die denn schon? Die sind doch die abschreckenden Beispiele, deren Schicksal sie auf keinen Fall teilen will. Außerdem rebelliert die intelligente Jenny gegen eine drohende Verurteilung als "gefallenes Mädchen". Die Diskriminierung der Frauen und der daraus resultierende Mangel an Optionen trägt vermutlich nicht unwesentlich dazu bei, dass Jenny die Beziehung zu David auch dann noch aufrecht erhält, als sie mitbekommt, wie er sein Geld verdient. Und dann sind da auch noch ihre Eltern, die an David einen Narren gefressen haben...

Carey Mulligan hat sich mit ihrer Darstellung der Jenny endgültig etabliert, sie hat dafür schon etliche Preise gewonnen und eine Oscar-Nominierung erhalten. Doch auch der von der Academy übergangene Peter Sarsgaard ist ideal besetzt. Seine exzellente Darstellung des charmanten Betrügers macht die Geschichte glaubhaft und Jennys Faszination nachvollziehbar.

Nick Hornby hat das nur wenige Seiten umfassende Kapitel aus Lynn Barbers Leben zu einer Glanzleistung inspiriert und er hat die Oscar-Nominierung für Bestes Drehbuch Adaption wirklich verdient. Allerdings war er vor allem darauf bedacht, den Kontext der Zeit gut 'rüberzubringen. (Auf dem gelungenen Soundtrack zum Film sind passende Titel von Juliette Gréco, Ray Charles und Brenda Lee, aber auch Smoke Without Fire von Duffy zu finden. (Link zum Soundtrack: An Education Soundtrack))

Hornbys Fokus auf die Zeit und ihre Gegebenheiten ist zwar interessant, aber letztlich auch die Schwachstelle, die von der Allgemeingültigkeit der Geschichte ablenken und diese trivialisieren könnte. Ich nehme es Nick Hornby durchaus übel, dass er An Education ein relativ weichgespültes Ende gegeben hat, das dem Set-Up und der Brisanz der Themen nicht gerecht wird.

Die heute 65-jährige Lynn Barber selbst hat in wenigen bissigen Worten in einem Kommentar zu diesem Kapitel die wichtigsten Punkte und ihre Erkenntnis zusammengefasst. Zum einen bemerkt sie sarkastisch, dass ihre Beziehung mit "David" sie auf Oxford und den Umgang mit der dort (vermutlich überproportional) vertretenen Oberschicht vorbereitet hat (sie kannte ja nun z. B. die teuren Restaurants, konnte die Speisekarte verstehen etc.). Mit Traurigkeit und etwas Bitterkeit schreibt sie auch über die irreparablen Schäden, die ihr als junges und naives Mädchen durch diese Beziehung zugefügt wurden und die sie zu ihrem Bedauern für immer verändert haben.

Es gibt Millionen Frauen, die ähnliche Geschichten wie Barber erzählen könnten, auch wenn deren "ältere Männer" keine Betrüger waren. Die Gefahr ist heute vielleicht sogar noch größer, die Mädchen oft jünger. Zwar müssen die Männer keineswegs reich oder Produzenten, Modelagenten oder Talentmanager sein, doch wenn sie wenigstens aus einer anderen, privilegierten Schicht stammen, haben sie auf jeden Fall ein leichteres Spiel. Weder die mittelalterliche Geschichte von Abelard & Heloise (Link zur deutschen Ausgabe: Der Briefwechsel mit Heloisa) noch Nabokovs Lolita, noch An Education werden daran viel ändern können - vor allem nicht, wenn diverse Zuschauer und - besonders übel: Universätsprofessoren! - in ihren Beschreibungen dieser Geschichten Worte wie "romantisch" und "große Liebesgeschichte" verwenden und dabei geflissentlich den Alters- und Machtunterschied ignorieren, der in diesem speziellen Zusammenhang keinesfalls ignoriert werden sollte (wie das mein Prof. Im Honors Seminar bez. A & H getan hat).

Mir fällt in diesem Zusammenhang auch der mit kleinstem Budget realisierte Film Hard Candy ein. Hard Candy spielt in der Gegenwart und erzählt die Geschichte eines im Vergleich zu David strategisch weit ungeschickteren älteren Mannes und der 14jährigen Hayley, die er über's IT becirct und dann im realen Leben trifft. Die intelligente Hayley ist natürlich weit weniger naiv als die 60-er Jahre Jenny und setzt sich gegen diesen Predator äußerst erfolgreich und ausgiebig zur Wehr, dreht den Spieß der Macht sogar um. Selbst der politisch korrekte Mainstream hatte so seine Problemchen mit dem Psycho-Thriller, der allzu real daherkommt, und konnte weder mit der Anspielung auf Rotkäppchen noch der Vagina Dentata auf dem absolut genialen Filmplakat und der DVD übermäßig viel anfangen. Nicht, dass mich das überraschen würde. Hauptdarstellerin Ellen Page (erhielt später eine Oscar-Nom für den Mainstreamer Juno) ist in Hard Candy übrigens nicht weniger brillant als Carey Mulligan hier. Die 14-jährige Hayley in Hard Candy lässt sich aber eben nicht zum Opfer machen...

Wer wegen der geringen Anzahl der Spielstätten keine Gelegenheit hat, An Education im Kino erleben zu können, der kann sich wenigstens jetzt schon die *englische* (ohne Synchro oder UT) Ausgabe der DVD bestellen, die im Gegensatz zum Kinofilm allerdings ein FSK 12 erhalten hat (die Ironie): An Education [UK Import]

*Bildmaterial mit freundlicher Genehmigung von und © Sony Pictures Releasing GmbH

An Education -- Genre: Drama -- deutscher Kinostart: 18.02.2010 -- Länge: 100 Minuten -- FSK: ohne Altersbeschränkung bzw. ab 6 Jahren (Angaben variieren)
Drehbuch: Nick Hornby, basierend auf den Memoiren von Lynn Barber
Regie: Lone Scherfig (Italienisch für Anfänger)


An Education Trailer deutsch

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