03.10.2009

Die nackte Wahrheit Kritik + Trailer

Die Fans von Grey's Anatomy bzw. Katherine Heigl stürmen die Kinos, um sie in Die nackte Wahrheit zu sehen, doch die Begeisterung für diese zynische romantische Komödie hält sich sehr in Grenzen. Nach dem amüsanten Selbst ist die Braut hatten wir kurz die Hoffnung, dass es mit dem Genre wieder aufwärts gehen könnte. Pustekucken. Die nackte Wahrheit ist ein Film für Männer (was auch Gerard Butler in der männlichen Hauptrolle erklärt), die sich köstlich darüber amüsieren können, wenn sich die weibliche Hauptfigur zum Deppen macht, Haut zeigt und eine Marionette des Mannes ist, während der bärtige und brustpelztragende Macho-Mann so nebenbei als begehrenswert und einfach nur missverstanden verkauft werden soll. Also Wunscherfüllung für Männer, die immer wieder Bestätigung dafür brauchen, dass Frauen enorm tolerant sind, wenn es um das Aussehen, Verhalten und generell die Macken einzelner Herren geht. Dass Frauen die Zielgruppe für das Genre sind/sein sollen, hat man geflissentlich ignoriert. Wollte man auf diese Art mehr Zuschauer in die Kinos locken? Seltsame Strategie.

Als wären Frauen durch Medien wie z. B. "Frauen"Magazine noch nicht verunsichert genug (Studien belegen diesen Effekt), werden sie in Die nackte Wahrheit für ihre Verunsicherung auch noch lächerlich gemacht. Wieder einmal lautet die Botschaft an die Frauen: Wenn du schön bist und gebildet und halbwegs erfolgreich im Beruf, dann reicht das noch lange nicht (wärst du ein Mann, würde der Erfolg im Beruf schon völlig reichen, ätsch.). Du bist nicht gut genug. Es sind weiterhin die Männer, die sich die Frauen aussuchen, nicht etwa umgekehrt. Merk' dir das, du dummes Mädel, und hör' endlich auf, Ansprüche zu haben! Ach ja - mit 30 hast du gefälligst unter Torschlusspanik zu leiden, denn du bist ja auf dem Weg eine "alte Jungfer" zu werden.

In Die nackte Wahrheit spielt Katherine Heigl die Figur Abby Richter, die eine Frühstückssendung produziert, deren Quoten stetig sinken. Das ist auch kein Wunder, denn die Sendung sieht aus wie etwas, das wir von einem öffentlich-rechtlichen TV-Sender erwarten, dem die Quoten egal sein können. Abby träumt von Interviews mit Politikern und scheint generell wenig Kontakt mit der Popkultur zu haben. Andererseits hat sie viel von dem Schwachsinn verinnerlicht, der seit Jahrzehnten schon von Frauenverdummungsmagazinen, Pop-Psychologen, Self-Help AutorInnen und Dating Websites serviert wird.

Bevor sie zu ihren Blind Dates aufbricht, besorgt sie sich Hintergrundinfos zu dem Mann, wie wir am Beispiel ihres Dates mit Jim (Kevin Connolly, TV: Entourage. Er steht einfach nicht auf dich) sehen. Sie hat außerdem eine Liste mit wichtigen Eigenschaften, die ihr Zukünftiger haben muss und eine Liste mit Gesprächsthemen, falls Funkstille eintreten sollte. Natürlich ist sie auch noch bescheuert genug, ihre Karten beim ersten Date offen auf den Tisch zu legen... Eine besonders bedauernswerte Schwachstelle der Geschichte. Abby hätte schließlich auch einfach zu der Einsicht gelangen können, dass sich der ganze Aufwand wirklich nicht lohnt.

Abby ist kein Stück realistisch, wie schon die peinlichen Freudentänze beweisen, die Heigl mehrmals aufführen muss, als würde sie eine 13-jährige spielen und keine etwa 30-jährige TV-Produzentin. Dieses Rumgehopse sieht alles andere als überzeugend aus. Selbst ihr Markenzeichen-Lächeln wirkt öfters gezwungen, so dass man sich fragt, was sich Regisseur Robert Luketic (21, Das Schwiegermonster, Total verknallt in Tad Hamilton und Natürlich blond) eigentlich dabei denkt, uns diese wenig überzeugenden Shots zu präsentieren.

Ausgerechnet das Großmaul Mike Chadway (Gerard Butler, Die Insel der Abenteuer, demnächst: Gamer, Law Abiding Citizen) wird angeheuert, um mit seinem Macho-Segment The Ugly Truth die Quoten von Abbys Frühstücks-Format anzuheben. In diesem Segment zeigt Mike den Frauen, "was Männer wollen", da diese ja simpel und einheitlich nur Eines im Sinn haben, und den Männern zeigt er, wie sie das bekommen. Im Laufe von Die nackte Wahrheit sehen wir immer öfter den "Normalo" hinter der Macho-Fassade und auch seine Ugly Truth wird besser. Man fragt sich schon, wann er seinem Segment den Todesstoß versetzen wird, denn einfach weitermachen wird er kaum können.

Abby lässt sich auf eine Wette mit Mike ein. Wenn sie gewinnt, wird er kündigen. Doch welch Graus - Mikes Tipps (enge Klamotten, push-up BH, anzügliche Kommentare und manipulative Aktionen) führen für Abby zum Ziel bei ihrem erklärten Traummann, ihrem Nachbarn Colin (Eric Winter, TV: Moonlight), womit sie die Wette zu verlieren droht. Colin ist Chirurg und vertritt im Film den Mann, der die "feinen Dinge" liebt, selbstverständlich total oberflächlich ist und natürlich auf Abbys Manipulationen hereinfallen muss. Colin ist der "störende Dritte", also obligatorisch für jede romantische Komödie, die aus Formel plus Klischees besteht. Die Geschichte schreibt Abby vor, dass sie auch bei Anzeichen der Inkompatibilität mit Colin weitermachen muss, obwohl jede halbwegs normale Frau den Typen zu dem Zeitpunkt in Tonne treten würde. Womit ja eigentlich die ganze Theorie nicht mehr stimmt, denn Colin ist nicht der Traummann. Er wird trotzdem bis zum Ende mitgeschleppt, weil den Autorinnen wohl nichts besseres einfiel. Apropos einfallen...

Wenn Jennifer Beals in Flashdance ihre Shrimps ißt, dann ist das - von ihr gewollt - erotisch. Wenn Abby auf Befehl von Mike einen Hot Dog auf ähnliche Art verspeisen soll, dann ist das geschmacklos, derb, völlig unerotisch und auch nicht lustig. Wenn in Harry & Sally Meg Ryan im Restaurant ihrem Harry mit einem vorgespielten Orgasmus vor den Kopf schlägt und völlig verunsichert, dann ist das lustig. Wenn in einer Restaurant-Szene Katherine Heigl einen Orgasmus vortäuschen muss, noch dazu während eines Businesss-Meetings mit Vorgesetzten, weil Abby die vibrierende Unterwäsche trägt (ein Geschenk von Mike, was sonst) und ein kleiner Junge die Fernbedienung bedient, dann wirkt die Szene völlig überzogen und nicht wirklich lustig (eher geschmacklos und fragwürdig wegen des Jungen und fragwürdig, weil Mike die Situation überblickt und nicht eingreift). Ganz abgesehen davon ist die Harry & Sally Szene mittlerweile doch völlig ausgelutscht, zuletzt wurde sie in Mission Hollywood misinterpretiert und nachgespielt. Etwas Neues fällt nicht ein? Zugegeben, eine überflüssige Frage, wenn man an die Mehrzahl der romantischen Komödien denkt, die wir seit einigen Jahren präsentiert bekommen.

Wir verdanken diesen neuen Tiefpunkt dem Autoren-Duo Karen McCullah Lutz und Kirsten Smith, die das Drehbuch zusammen mit Neuling Nicole Eastman schrieben, die auch die Idee zu dem Stoff hatte. McCullah Lutz fungierte außerdem (zusammen mit Eric Reid (Crank 1+2, Underworld 3, Untraceable)) als ausführende Produzentin. McCullah Lutz und Smith hatten vor 10 Jahren einen Hit mit ihrem Original-Drehbuch 10 Dinge, die ich an Dir hasse und der Literaturadaption Legally Blonde - Natürlich blond!. In jüngster Vergangenheit einttäuschten sie allerdings mit ihren Original-Drehbüchern zu House Bunny und She's the Man - Voll mein Typ. Vielleicht wäre es besser, wieder zu Literaturadaptionen zurückzukehren...

Romantisch wird's in Die nackte Wahrheit erst ganz zum Ende hin, viel zu spät, als Abby endlich selbst eine Entscheidung trifft und Mike aufhört, Abby zu manipulieren. Vom Zuschauer wird erwartet, dass er so ziemlich alles vergisst, was vorher war - inklusive The Ugly Truth. Davor ist Die nackte Wahrheit gelegentlich witzig, was allerdings generell auf Kosten der völlig unterentwickelten weiblichen Hauptfigur geht. Ein neuer Tiefpunkt auch für Katherine Heigl und ihre Filmkarriere. Beim ersten Mal war trotz Seth Rogens Figur ganz nett, 27 Dresses eher schwer zu ertragen und Die nackte Wahrheit nun ist völlig daneben.

Gerard Butler und seine Behaarung sind fehlbesetzt. Wenn man uns Frauen - und wir sind ja bekanntlich die Zielgruppe für romantische Komödien, die Männer "gehen nur mit" um hinterher belohnt zu werden, so die Theorie - schon solch einen unausgegorenen sexistischen Mist verkaufen will, weil wir bekanntlich ja alle einen Hang zum Masochismus haben, dann sollte man wenigstens einen Mann als Lead engagieren, den wir uns an Abbys Seite wünschen würden. Also eher einen bärtigen Jeffrey Dean Morgan (zufälliger Weise Izzies verstorbener Liebster in Grey's Anatomy. Zufällig verheiratet, demnächst: Shanghai), dem Gerard Butler in PS I Love You schon nichts entgegenzusetzen hatte, obwohl dort er den verstorbenen geliebten Ehemann spielte. Wenn ein Ashton Kutcher in Love Vegas den kurzfristig bösartigen Neanderthaler gibt, dann funktioniert das. So einen schwer zu verkaufenden Neanderthaler kann man nur mit einem fähigen Schauspieler besetzen, der für gewöhnlich eher den Softie spielt, also "against type" besetzen. Null Punkte an die Casting Direktorinnen.

Man will also den Frauen unbedingt wieder den unrasierten Neanderthaler verkaufen, den Macho mit dem guten Kern, der der Frau zeigt, was Sache ist. (Irgendjemand sollte Karl Lagerfeld Bescheid sagen, dass er mit seinem Protegé, dem Model und atemberaubenden neuen It-Boy Baptiste - sensibel, unbehaart *und* muskulös - völlig daneben liegt. Ja, sicher doch;) Selbstverständlich haben die Frauen überzogene Vorstellungen, die sie sich abschminken müssen, denn -- wenn die Frauen single bleiben, ihre Männer nur noch á la carte genießen und sich diese garstigen Neanderthaler weit weit vom Leib halten, dann müssten diese am Ende umdenken und das geht ja 'mal gar nicht. Es sind immer die Frauen, die falsch liegen und sich ändern und anpassen müssen, nicht die Männer.

Was in Die nackte Wahrheit öfters angenehm auffällt? Der Soundtrack. Da gibt's einige coole Tunes im Film zu hören. Allerdings braucht der Zuschauer nicht nach dem Soundtrack zu suchen - es gibt nur den Score des Films, also die eher schwachen Neukompositionen, die keinen vom Hocker reißen, die coolen Titel sind nicht drauf. Sorry.

Die nackte Wahrheit -- deutscher Kinostart: 01.10.2009 - Genre: romantische Komödie -- Länge: 96 Minuten -- FSK: ab 12 Jahren.
Drehbuch: Nicole Eastman (Erstling) & das Autorenteam Karen McCullah Lutz & Kirsten Smith
Regie: Robert Luketic (21, Das Schwiegermonster, Natürlich blond)

Die nackte Wahrheit - deutscher Trailer (1:49)



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