29.09.2009

Kritik Entfuehrung der U-Bahn Pelham 123 + Trailer

Die Entführung der U-Bahn Pelham 123 mit John Travolta und Denzel Washington ist zwar schon die dritte Verfilmung des Romans von John Godey, doch hat sich Drehbuchautor Brian Helgeland (Man on Fire, Mystic River, demnächst: Mitternachtszirkus - Willkommen in der Welt der Vampire) viel Freiheit genommen. Helgeland wollte einen Kommentar zu den Machenschaften an der Börse und der Finanzkrise abgeben und das ist ihm mit diesem spannenden Film auch gelungen. Da Die Entführung der U-Bahn Pelham 123 erst jetzt in Deutschland anläuft, macht ihn das höchst relevant, wenn nicht gar brisant. Wenn einem das Thema schon klar ist, bevor man den Film sieht, dann ärgert einen vielleicht das Ende etwas weniger, das allerdings in der OV noch mehr ärgert als in der synchronisierten Version.

Ryder (John Travolta, Hairspray, Born to be Wild) wird uns zu cooler Hip-Hop Musik vorgestellt. Und das ist er auch - cool. Zumindest in der Original-Version, wo auch seine Witze und Wortspiele nicht untergehen (z. B. Garber/Gerber, eine Anspielung auf Gerber Babykost, oder conductor - was Schaffner aber auch Dirigent bedeutet, und so ordert er die Schaffnerin, die Geiseln zu dirigieren) und er uns schon allein durch seinen Unterhaltungswert dazu bringt, ihm die Daumen zu drücken. In der synchronisierten Version kommt er ganz anders 'rüber, da helfen ihm auch die coole Wollmütze, Tats und Sonnenbrille nichts. Dort hört er sich eher wie ein Verbrecher an. (Foto links: John Travolta als Ryder © 2009 Sony Pictures Releasing GmbH)

Zach Garber (Denzel Washington, American Gangster) ist ein langweiliger Bahnangestellter in Pullunder und Krawatte. Er steht unter dem Verdacht, Bestechungsgelder angenommen zu haben, weshalb er derzeit Telefondienst in der Leitstelle machen muss. Ausgerechnet während seiner Schicht wird die U-Bahn Pelham 123 entführt.

Ryder ist für die Entführung verantwortlich und besteht darauf, die Lösegeldverhandlungen (er will $ 10 Mios. sehen, sonst sterben die Geiseln) mit Garber zu führen. Das passt zwar dem auf solche Verhandlungen spezialisierten und eilig herbeigerufenen Polizisten Camonetti (John Turturro, Transformers 2, Miracle at St. Anna) nicht, doch Ryder hat 19 Geiseln und keine Skrupel. Der schmierige und arrogante Bürgermeister (James Gandolfini, TV: The Sopranos) reagiert viel zu langsam, da ihm kurzfristig sein Image wichtiger ist als die Sicherheit der Bürger, und ist somit mitverantwortlich für einige Tote. Diese Tatsache wird natürlich in keinem Pressebericht zu lesen sein.

Der Spekulant als Terrorist

Der auf alle Eventualitäten exzellent vorbereitete Terrorist Ryder und seine Leute haben die Situation in der Hand. Obwohl Ryder völlig gewissenlos zu sein scheint, ist er derjenige, dem ich die Daumen drücke. Schließlich ist Die Enführung der U-Bahn Pelham 123 ein Thriller und keine Dokumentation. Ryder ist cool und bringt uns mit seinen Sprüchen zum Lachen. Natürlich identifiziere ich mich lieber mit ihm als mit dem besonnen, aber auch stinklangweiligen Garber, dem kleinen Rad.

Als eine der Geiseln, ein Marine/Soldat, freiwillig den Kopf hinhält, lässt mich das nur gelangweilt seufzen. Die melodramatische Szene ist des Films absolut unwürdig, ist zu offensichtlich. Wenn man eine Botschaft hat und möglichst alle Aspekte ansprechen will, passiert sowas. Diese Geisel ist auch ein kleines Rad, noch dazu ein präzise programmiertes (siehe auch: Experiment Killing Room), das die Mär der "Ehre" verinnerlicht hat, die ihm mühsam eingebläut wurde parallel zum Feindbild. [Hurra! Für welchen guten Zweck darf ich mein Leben geben? Immer zu Diensten, viel Feind viel Ehr oder so. Die Flagge auf dem Sarg gibt's bestimmt wieder gratis dazu, sie wird zeremoniell schön gefaltet und dem designierten Hinterbliebenen in die Hand gedrückt. Ein Andenken, das neben das Purple Heart oder welche Auszeichnung auch immer der Verstorbene für diese Aktion verliehen bekommen hat, gelegt wird.]

Irgendwann wird klar, dass Helgeland darauf besteht, Garber zum Helden zu machen. Auf dem Papier macht das sicher Sinn, besonders jetzt, wo die Finanzkrise sich ausgeweitet hat. Leider hat der Film dann aber ein paar Problemchen im 3. Akt. Banker sind raffgierig, okay, aber Ryder wurde als extrem intelligent vorgestellt. Würde der, nach einem Zugewinn im dreistelligen Millionen-Bereich, sich einen Koffer mit 'ner schlappen Million an's Bein hängen, der ihm bei der Flucht im Weg ist? Warum hat er an alles gedacht, nur nicht daran, seinen eigenen Kopf elegant aus der Schlinge zu ziehen? Der Hubschrauber hätte ganz klar ein Fluchthubschrauber sein sollen, nix anderes. Das würde doch jetzt auch gut passen - Hilfe kommt von oben (höchster Stelle), Mr. Banker's unwürdiger Hintern wird gerettet... :)
Was dem folgte, würde ich noch nicht einmal leihen, geschweige denn kaufen, bis auf die letzte Szene mit dem Bürgermeister.

Theoretisch müsste Garber mein Held sein, keine Frage. Ich sollte ihn anfeuern, damit er dem Spekulanten, der über Leichen geht und Politikern wie Durchschnittsbürger terrorisiert, Einhalt gebietet. Allerdings...

Der Jedermann Garber hat nicht viel davon, wenn er den Kopf hinhält. Der schmierige Politiker wird sich den Erfolg in den Medien zuschreiben und Garber gönnerhaft seinen Job behalten lassen. Den Job, der so schlecht bezahlt ist, dass Garber davon nicht die Studiengebühren für seine Kinder bezahlen kann (solche Argumente sind eigentlich sehr schwach, denn es gibt unzählige Stipendien in den USA, aber egal). Und wenn die gleichen Politiker bzw. Parteien im Amt bleiben, dann bleibt der Status Quo erhalten - nix ändert sich. Die Spekulanten spekulieren, der Gewinn muss immer weiter maximiert werden, Stellen werden gestrichen, es wird outgesourct und in Billigländern produziert, wo die Menschen froh sind, wenn sie Arbeit haben und der Arbeitsplatz nicht menschenwürdig sein muss. (Foto rechts: Denzel Washington als Garber © 2009 Sony Pictures Releasing GmbH)

Und so bleibt mir die Wahl: ärgere ich mich darüber, dass Ryder so cool ist und ich ihm die Daumen drücke, obwohl ich das eigentlich gar nicht will? Oder ärgere ich mich über die Machtlosigkeit von Garber, dem nichts übrig bleibt, als dem System in die Hand zu spielen? Oder über die Politiker, die so tun, als stünden sie nicht auf einer der zwei Seiten bzw. als wären sie nicht eine der zwei Seiten, und hinterher ihre PR-Maschine anwerfen und freudig verkünden, dass sie Jobs im Niedriglohnbereich erhalten?

Vermutlich ist es egal, worüber sich der Zuschauer ärgert, Hauptsache er ärgert sich. Denn das, so würde ich vermuten, war eines der Ziele von Brian Helgeland. Erst wenn sich die Menschen so gewaltig ärgern, dass sie richtig wütend werden und etwas ändern wollen, erst dann bewegt sich auch etwas. Sicher ein frommer Wunsch und ein Drehbuch, das lange vor der Banken-Rettungsaktion geschrieben wurde, was man nicht vergessen darf. Aber doch zu gerne täte...

Ich erinnere mich sehr gut an die Arroganz der Investmentbanker, bei denen noch vor nicht allzu langer Zeit ständig die Champagnerkorken knallten und die wirklich derart auf dem Höhenflug waren, als wären sie die ungekrönten Könige der Welt. Mit voller Wucht die U-Bahn Richtung Wand gefahren, und die Garbers der Welt durften sich dann darum kümmern. Was für ein trauriger Held dieser Garber doch ist. Sieht eigentlich eher wie ein totaler Loser aus...

Die Entführung der U-Bahn Pelham 123 Trailer deutsch



Die Entführung der U-Bahn Pelham 1 2 3 -- Genre: Thriller -- deutscher Kinostart: 24.09.09 -- FSK: ab 16 Jahren
Drehbuch: Brian Helgeland (Man on Fire, Mystic River, demnächst: Mitternachtszirkus - Willkommen in der Welt der Vampire, Salt, Green Zone, Robin Hood), basierend auf dem Roman von John Godey.
Regie: Tony Scott (Man on Fire, Domino, Deja Vu)

Die Entführung der U-Bahn Pelham 1 2 3 Cast:
Zach Garber - Denzel Washington
Ryder - John Travolta
Camonetti - John Turturro
Bürgermeister - James Gandolfini

KINO -- TV

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