02.01.2011

The Kids Are All Right Kritik + Trailer


Auch Lisa Cholodenkos (High Art, Laurel Canyon) wunderbarer neuer Film The Kids Are All Right mit Julianne Moore (Wilde Unschuld, Pippa Lee, A Single Man, Chloe), Annette Bening und Mark Ruffalo ist wieder von Anfang bis Ende spannend. Er liefert jede Menge Gesprächsstoff, ist witzig und relevant und wartet mit tollen Performances der Darsteller auf. Wir erwarten, dass The Kids Are All Right für mehrere Oscars nominiert werden wird. 4 Nominierungen für den Golden Globe konnte der Film bereits einheimsen und nicht zu vergessen - The Kids Are All Right hat auf der Berlinale 2010 den Teddy gewonnen! Lisa Cholodenko führte Regie und schrieb das Drehbuch zusammen mit Stuart Blumberg (The Girl Next Door, Keeping the Faith - Glauben ist alles!).

Nic (Annette Bening, The Women) und ihre Partnerin Jules (Julianne Moore) sind seit über 20 Jahren ein Paar und leben eifrig das Muster einer konservativen heterosexuellen Ehe nach. Sie haben zwei Kinder vom selben Samenspender: Nics 18-jährige Tochter Joni (Mia Wasikowska, Alice im Wunderland) und Jules 15-jährigen Sohn Laser (Josh Hutcherson, Die Reise zum Mittelpunkt der Erde). Die Ärztin und anstrengende Perfektionistin Nic verdient das Haushaltseinkommen, Jules hat nach ihrem Architekturstudium die Rolle der Hausfrau und Mutter übernommen.

Zwar zeigt The Kids Are All Right schöne Momente der Vertrautheit zwischen Nic und Jules, aber Nic hat etliche unangenehme Eigenschaften, die man einem Mann vielleicht nicht so einfach nachsehen würde. Perfektionisten sind für gewöhnlich auch Kontrollfreaks und bei Nic ist das nicht anders. Nur wenn es um ihren eigenen Rotweinkonsum geht sieht sie die Sache lockerer. Besonders übel nehme ich ihr aber den Mangel an Interesse und Respekt in Bezug auf Jules neue berufliche Ambitionen. Jules versucht verzweifelt, aus der Hausfrauenrolle herauszukommen und will ihre eigene Landschaftsgärtnerei aufmachen. Dass sie dafür von Anfang an einen Truck braucht, dürfte wohl jedem Menschen klar sein. Und doch muss sie Nic beknien, damit ihr diese Ausgabe bewilligt wird.

Aber Nic hat eben auch genau die Art von Persönlichkeit, der das nachfolgende Geschehen am meisten zu schaffen macht und es ist spannend zu sehen, wie sie damit umgeht. Laser ist noch zu jung, um den Kontakt zu seinem Vater suchen zu dürfen, darum kümmert sich seine desinteressierte Halbschwester Joni um die Formalitäten. Doch auch Joni wird neugierig, als Vater Paul (Mark Ruffalo, Ein einziger Augenblick, Brothers Bloom, Shutter Island) einer Kontaktaufnahme zustimmt. Als die Kids sich mit Paul in seinem Restaurant treffen, ist Joni hin und weg. Sie kann die Augen gar nicht von ihrem Vater lassen. Ihr höchst eigener Bio-Dad! Und er interessiert sich für die Umwelt, genau wie sie!  Das alles geschieht heimlich, hinter dem Rücken der Mütter, denn die Kids wollen niemanden verunsichern oder gar verletzen.

Paul ist ein lockerer Typ und erfolgreicher Geschäftsmann. Er ist Restaurantbesitzer und Bio-Bauer, er ist single ohne sexuellen Notstand, er fährt Motorrad. Er hat etwas von einem Hippie, ist aufgeschlossen und neugierig. Paul interessiert sich für Joni und Laser, er freut sich genau wie sie über das Kennenlernen und darauf, eine Beziehung zu seinen Kindern aufzubauen. Als die Mütter von der Sache erfahren, besteht Nic darauf, Paul zuerst einmal selbst in Augenschein zu nehmen, bevor die Kids weiter Kontakt zu ihm haben dürfen.

Das gemeinsame Abendessen wird für den Mann etwas anstrengend, denn Nic nimmt ihn unter die Lupe. Nic ist ein echter Snob und fragt entrüstet nach, warum er ein Restaurant führt und was denn aus seinem Studium geworden ist. Jules hingegen hat gleich einen guten Draht zu Paul und als der ihr anbietet, seinen Garten zu gestalten, nimmt sie den Auftrag trotz Nics Protesten begeistert an. Die beiden liegen wirklich auf einer Wellenlänge und bald fragt sich Jules, warum sie ihn so anziehend findet und sogar mit ihm ins Bett geht. Auch für Paul hat die Bekanntschaft mit Jules und vor allem natürlich auch das Kennenlernen der Kinder eine Reihe ungeahnter Konsequenzen.

Man sieht keine männlichen Freunde der Familie und fragt sich unweigerlich, ob die Kids eigentlich irgendwelche männlichen Vorbilder in ihrem Leben haben. Laser hängt mit einem Kumpel ab, mit dem er eigentlich wenig gemeinsam hat. Wenn man dann auch noch den Vater dieses Kumpels sieht und wie er mit seinem Sohn umgeht, dann kann man Lasers Wunsch, seinen eigenen Vater kennenlernen zu wollen, sofort verstehen. Joni ihrerseits eifert ihrer Mutter nach, sie nimmt ihre Studien super-ernst und verhält sich gegenüber dem Jungen, in den sie verliebt ist, schüchtern bis verkrampft. Man wüsste zu gerne, was in ihr da vorgeht.

The Kids Are All Right spricht eine weitverbreitete Angst an. Es ist die Angst, die Adoptiveltern und Samenbankkunden gemeinsam haben und die die Rechtsprechung der verschiedenen Länder dieser Welt mehr oder auch weniger schüren bzw. Rechnung tragen. Das Recht des Kindes zu wissen, wer seine Erzeuger, Geschwister und sonstige Verwandten sind, wird der Angst des Erziehungsberechtigten oder auch des Samenspenders unverständlicher Weise einfach untergeordnet. Ich denke, der Film zeigt sehr schön, wie alle Beteiligten mit solch einer Situation umgehen können und natürlich auch, was seitens der Kinder und der Mütter an Gefühlen hochkommen kann. So viel kann ich verraten: Keiner stirbt, alle überleben es sehr gut.

Zu erwarten ist eine Diskussion bezüglich der leidigen Labels. Aus irgendeinem mir nicht erklärlichen Grund spielt das Thema Sex bei den lesbischen Frauen eine viel größere Rolle wenn es um das passende Label für die sexuelle Präferenz geht als für schwule Männer. Vielleicht sind es ja die rigiden und überflüssigen Labels selbst, die wieder einmal im Weg stehen und alles verkomplizieren? Wir sollten doch nicht vergessen, wer die Labels zu welchem Zweck erfunden hat und tief durchatmen, bevor wir uns allzu bereitwillig irgendwelche Klamotten von der Stange anziehen.

Die Verwendung eines Schwulenpornos seitens der beiden Lesben blieb in der queer Community auch nicht unkommentiert. Es gab zu dem Thema einige Entrüstung und ungläubiges Staunen. Ich denke, ein einziges lesbisches Paar kann unmöglich alle lesbischen Beziehungen repräsentieren, das geht einfach nicht. Diesen Anspruch kann man an Filme über ein heterosexuelles Paar ja auch schlecht stellen. Ich finde allerdings die Erklärung, warum Nic und Jules keine Lesbenpornos verwenden, höchst bemerkenswert und absolut schlüssig. 

Hier geht's zur DVD: The Kids Are All Right

The Kids Are All Right Trailer deutsch



The Kids Are All Right  -- Genre: Dramedy -- deutscher Kinostart: 18.11.10 -- DVD-VÖ: 31.07.2011 -- Länge: 106 Minuten -- FSK: ab 12 Jahren

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