20.06.2008

Ein einziger Augenblick Kritik


Ein einziger Augenblick (Originaltitel: Reservation Road) mit Joaquin Phoenix und Mark Ruffalo in den Hauptrollen ist ein berührendes Drama, das einen gleich in seinen Bann zieht und eine Spannung aufbaut, die es zum Ende hin sogar noch zu erhöhen vermag. Der Film macht uns nachdenklich und/oder liefert Gesprächsstoff für angeregte Debatten. Das wunderbare Drehbuch dazu stammt von Terry George und John Burnham Schwartz, der schon die Romanvorlage schrieb. Im Mai erschien jetzt das Buch zum Film mit dem Filmposter (siehe oben) als Cover:> Ein einziger Augenblick. Terry George (Hotel Ruanda) führte auch Regie.

Sonntag, Familientag. Für den geschiedenen Rechtsanwalt Dwight Arno (Mark Ruffalo, demnächst: Blindness - Die Stadt der Blinden, Margaret, The Brothers Bloom) ist dieser Tag etwas ganz Besonderes, denn er darf heute ein paar Stunden mit seinem 11-jährigen Sohn Lucas (Eddie Alderson, demnächst: Changeling) verbringen. Das ist eine Seltenheit und die beiden genießen (fast) jede Minute des Zusammenseins, schauen sich ein Baseball Spiel an. Fast jede Minute, denn das Spiel dauert länger als geplant und Dwights Ex-Frau Ruth (Mira Sorvino, demnächst: The Trouble With Cali, Multiple Sarcasms) nervt ständig mit Anrufen und setzt ihn unter Druck. Dwight muss um das Besuchsrecht für seinen Sohn bangen.

Auch Ethan Learner (
Joaquin Phoenix, Helden der Nacht, demnächst: Two Lovers) ist mit seiner Familie - dem 10-jährigen Sohn Josh (Sean Curley), Tochter Emma (Elle Fanning, Babel, demnächst: Der seltsame Fall des Benjamin Button) und Frau Gracie (Jennifer Connelly, demnächst: He's Just Not That Into You, The Day The Earth Stood Still) - unterwegs. Sie verbringen den Tag bei einem Freiluft-Konzert, bei dem der kleine Josh auftritt.

Am Abend dann die Katastrophe: Dwight muss so schnell wie möglich seinen Sohn bei Ruth abliefern, ist eine Sekunde durch das klingelnde Handy abgelenkt, weicht dem Gegenverkehr aus und fährt den auf der Straße stehenden Josh an, der kurz darauf stirbt. Viele verschiedene Faktoren spielten zusammen: Emma musste pinkeln, deshalb hielten die Learners an, Josh stand auf der Straße, um Glühwürmchen freizulassen, wie seine Mutter vorher gesagt hatte, Ruth rief an, Lucas schlief und bekam nichts mit, Dwight stand sowieso schon unter Druck und dunkel war es auch noch. Es war einer der Unfälle, mit denen man so schlecht umgehen kann, weil die Situation keine klare Schuldzuweisung rechtfertigt. Das Leben ist eben manchmal kompliziert und wir sind alle nur Menschen, keine Roboter. Nachdem Dwight gesehen hat, dass sich Ethan um den Verletzten kümmert, gibt er Gas und fährt davon. Sein Besuchsrecht steht auf dem Spiel und er kann nicht klar denken.

Dwight macht mehrere Anläufe, sich zu stellen, doch jedes Mal kommt etwas dazwischen. Wir sehen, wie der gebeutelte Vater leidet, hin- und hergerissen ist und von Schuldgefühlen aufgefressen wird. Ein einziger Augenblick zeigt uns, dass Dwight und Ethan sich in ihrem Leid sehr ähneln.

Immer wieder werden sich Szenen gegenübergestellt, z. B. kann Ethan nicht schlafen und sitzt am Computer, wo er in einem Trauer-Chatroom für Eltern von Unfallopfern über seine Gefühle redet, während Dwight verzweifelt durch die Nacht rennt. Am nächsten Morgen schläft Ethan auf der Couch, Papiere auf dem Bauch, während Dwight auf seiner Couch schläft, eine halb geleerte Flasche Alkohol neben sich. Ethans Trauer bleibt in der Wut-Phase stecken, angeheizt durch die Besuche im Chatroom, während Gracie apathisch ist und sich um nichts kümmern kann. Die kleine Emma bleibt dabei völlig auf der Strecke, sie hat nicht nur ihre eigene Trauer, sie ist auch noch völlig allein damit und wird nicht mehr richtig versorgt.

Ethan verlangt Gerechtigkeit und verzweifelt schier an seiner Annahme, diese wohl nie zu bekommen. Er macht sich selbst auf die Suche nach dem "Monster", das seinen Sohn "ermordet" hat. Wie eng die Suche nach der oft zitierten Gerechtigkeit mit der Rachsucht verwandt ist, wird hier deutlich. Im IT hat Ethan erfahren, dass er sich am besten einen Anwalt nehmen muss, und das tut er auch: Dwight Arno. Dwight sieht keine Möglichkeit, sich von dem Fall zurückzuziehen, ohne seine Schuld einzugestehen. Das würde ihm nicht nur einen Aufenthalt im Gefängnis bescheren, sondern es würde ihn auch das Besuchsrecht kosten und das Ende seiner Karriere bedeuten. Doch auch privat läuft ihm Ethan oft über den Weg, denn Emma hat Privatstunden bei Ruth. ....

Ein einziger Augenblick lässt uns über vieles nachdenken: Schuld, Gerechtigkeit, Rache, Trauer, Hass und auch darüber, wie kompliziert für viele der Alltag ist. Man kann auch Ähnlichkeiten zwischen dem Verlust eines Kindes durch Tod und den Verlust eines Kindes durch Scheidung entdecken.

Letztlich kann uns nur das Verständnis für die Situation des anderen Menschen weiterhelfen, kann uns nur die Vergebung Frieden geben. Durch Hass und Rachsucht machen wir uns nur selbst kaputt und entfernen uns sogar von denen, die wir lieben. Auch ist es ratsam, die eigenen Fehler einzugestehen. Die Strafe für unsere Fehler kann kaum schlimmer sein als das eigene schlechte Gewissen.

In einer Zeit, in der so oft nur in Schlagzeilen gedacht wird, in denen polarisiert und in den Medien so oft Hass und Rachsucht geschürt wird, ist dieser Film dringend nötig.

Die mittlerweile 10-jährige Elle Fanning, kleine Schwester von Dakota Fanning, mag zwar fast schon ein "alter Hase" im Filmgeschäft sein, ist allerdings mit ihrer Rolle völlig überfordert. Eddie Alderson hat es viel einfacher, da sein Lucas von dem Unfall nicht betroffen ist und seine Rolle somit keine Herausforderung darstellt. Mark Ruffalo hat die schwierigste Rolle - Dwight. Die Figur steht konstant unter Druck, ist 24 Stunden am Tag damit beschäftigt, sich zu beherrschen. Das ist doppelt schwer für Dwight, da er selbst mit einem gewalttätigen Vater aufwuchs und in der Vergangenheit Probleme mit Wutausbrüchen hatte. Ruffola meistert das gut, überzeugt besonders in den Szenen mit seinem Filmsohn und dem dramatischen Finale. Joaquin Phoenix hat als Ethan in erster Linie die Aufgabe, Wut und Besessenheit zu zeigen, und das schafft er auch dieses Mal. Jennifer Connelly kann überzeugen in einer Rolle, die sie vom Nervenzusammenbruch zurück zum Alltag führt. Gary Kohn ist übrigens super besetzt als der neue Ehemann von Dwights Ex. Kohn kommt als Softie daher - die logische Wahl für eine Frau, die vorher mit einem Mann verheiratet war, der zu Wutausbrüchen neigte...

Zum Soundtrack geht's hier:>> Reservation Road.

Hier klicken für Ein einziger Augenblick - deutscher Trailer und Kurzinfo

Ein einziger Augenblick (Originaltitel: Reservation Road)
Drehbuch: Terry George (Hotel Ruanda) und John Burnham Schwartz, basierend auf dem Roman von John Burnham Schwartz.
Regie: Terry George (Hotel Ruanda)

Ein einziger Augenblick Cast:
Ethan Learner - Joaquin Phoenix
Dwight Arno - Mark Ruffalo
Grace Learner - Jennifer Connelly
Emma Learner - Elle Fanning
Lucas Arno - Eddie Alderson
Ruth Wheldon - Mira Sorvino
Norris Wheldon - Gary Kohn
Josh Learner - Sean Curley
Seargeant Burke - Antoni Corone (Deathly Weapon)

Filmmusik:
Komponist: Mark Isham

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