12.03.2008

Lars und die Frauen mit Ryan Gosling - Kritik

Lars und die Frauen (10/10)

Lars und die Frauen ist der unglaubliche Schwachsinnstitel, unter dem dieser wunderbare Film (OT: Lars and the Real Girl) am 13.03.2008 in den deutschen Kinos anläuft. Das brillante Drehbuch hat Nancy Oliver (TV: Six Feet Under) geschrieben, die dafür völlig zurecht für einen Oscar nominiert wurde. Vom Ton her sind sich Six Feet Under und die schräge psychologische Dramedy Lars und die Frauen übrigens nicht unähnlich - also kein Schenkelklopfer (wer laut lachen will, dem empfehle ich diese Woche die auf ihre Art auch wunderbare (und wunderbar schräge!) Komödie Walk Hard - die Dewey Cox Story), sondern eher leiser Humor, der einen allerdings möglicherweise zum Dauer-Grinsen bringt.

Lars und die Frauen erzählt eine Story, in der es um Toleranz und Respekt geht, um die Wahrnehmung der Bedürfnisse der Menschen, die wir lieben... um Liebe als Verb sozusagen. Der sensible, introvertierte Lars schafft es im Laufe der Geschichte - mit Hilfe einer Puppe, die nichts anderes ist, als eine Externalisation seiner selbst - seine eigenen Bedürfnisse zu erkennen und diese seiner Umwelt zu vermitteln, ohne darüber direkt sprechen zu müssen (das könnte er nämlich gar nicht). In dieser "Gestalt Therapie" wird nicht nur Lars therapiert, sondern letztendlich lernt das ganze (mehr oder weniger willige) Dorf einiges dazu.

Der deprimierte Lars (fabelhaft: Ryan Gosling, Das perfekte Verbrechen, demnächst in Half Nelson zu sehen) will eigentlich nur in Ruhe gelassen werden. Seine Mutter verstarb bei seiner Geburt, was den Vater in eine Depression warf, die er zeitlebens nicht bewältigen konnte. Einzig der jetzt 27-jährige Lars lebte bei ihm, bis er starb... Vermutlich ist es auch bei Lars der Prozess des Trauerns, in dem er feststeckt und den er ohne fremde Hilfe nicht abschließen kann.

Jetzt leben die schwangere Schwägerin Karin (Emily Mortimer, Der rosarote Panther, Match Point, demnächst: Transsiberian) und der ältere Bruder Gus (Paul Schneider, Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford) im Haupthaus und Lars in der Garage. Karin versucht verzweifelt, Lars in ihr Leben einzubeziehen, eine Beziehung aufzubauen, doch dazu muss sie Lars zwingen, denn freiwillig folgt der noch nicht einmal einer Einladung zum Frühstück. Gus andererseits macht es sich einfach: Er fragt Lars, ob alles in Ordnung ist und gibt sich mit der Antwort dann zufrieden.

Am Arbeitsplatz (wo eine Kollegin ihn Mr. Sunshine nennt) kämpft Lars gegen die Versuche seiner Kollegen an, ihn in die Bürogemeinschaft einzubeziehen. Die neue Kollegin Margo (Kelli Garner, London - Liebe des Lebens, Herr des Hauses, Thumbsucker) legt sich dabei besonders in Zeug. Lars mag sie zwar, fühlt sich aber unter Druck gesetzt, als sie ihn sogar nach dem Kirchgang anspricht. Die etwas zu aufgedreht wirkende und aufdringliche Margo wäre sogar weniger sensiblen Typen gelegentlich zu anstrengend.

Als Lars dann Gus und Karin die lebensgroße (und anatomisch korrekte, aber das ist für Lars völlig uninteressant) Puppe namens Bianca als seine Freundin vorstellt, ist es die einfühlsame Karin, die mitspielt. Es ist Karins genialem Vorschlag, Bianca ärztlich untersuchen zu lassen zu verdanken, dass die Ärztin Dagmar (Patricia Clarkson, demnächst in -zig Filmen, u. a. Married Life, Elegy und Woody Allens nächstem Projekt - Vicky Cristina Barcelona) Lars ohne sein Wissen in wöchentlichen Sitzungen therapiert. Genial, wie das gelöst wurde. "Love Hurts" ist eine Wahrheit, die Lars verinnerlicht hat. Und zwar so sehr, dass ihn jede Berührung schmerzt, weshalb er immer möglichst viele Klamotten trägt.

Wenn wir zusehen, wie das ganze Dorf mitspielt und so tut, als sei Bianca ein Mensch, dann erinnert das oft an spielende Kinder, die sich und ihren Puppen unsichtbaren Kaffee einschenken und dann so tun, als würden sie trinken. Bianca wird zum Kommunikationsmitttel, über das nicht nur Lars mit seiner Umwelt, sondern auch die Umwelt gefahrlos mit Lars kommunizieren kann. Sogar den resistenten Gus trifft auf diese Art eine längst überfällige Erkenntnis.

Ryan Goslings exzellente schauspielerische Leistung in Lars und die Frauen wurde zwar von der AMPAS (Academy of Motion Picture Arts and Sciences) bei den diesjährigen Oscar-Nominierungen übersehen, aber andere waren nicht so blind: Gosling gewann einen Satelitte Award als bester Hauptdarsteller. Außerdem wurde Ryan Gosling von der Screen Actors Guild, der Chicago Film Critics Association, der Broadcast Film Critis Assoc. und den Golden Globes mit Nominierungen bedacht.

Patricia Clarkson ist klasse als Ärztin und Psychologin, wie immer, und auch Emily Mortimer hat sich so richtig in ihre Rolle geworfen. Dabei hatte Mortimer den vielfältigeren Part, denn Karin setzt sich wirklich mit Lars auseinander und das ist recht emotionsgeladen. Sie ist die treibende Kraft, die Gus und die Dorfbewohner dazu bringt, auf Lars und Bianca einzugehen.

Bei Kelli Garner fragt man sich manchmal, ob die Figur der Margo so nervig und stellenweise überzogen angelegt war (was sich durch ihre eigene Unsicherheit als "die Neue" in der Firma erklären würde), oder ob das Garners Interpretation oder vielleicht Regisseur Craig Gillespies Vorstellung von Margo war.

Paul Schneider hat mich völlig überzeugt als der schwerfällige aber im Grunde gutmütige Gus. Schneiders Folgeprojekt, für das er das Drehbuch schrieb und bei dem er auch Regie führte, die Komödie Pretty Bird, wurde dieses Jahr beim Sundance Film Festival vorgestellt.

Schlussgedanke: Vielleicht wäre es gar keine schlechte Idee, unsere Kinder beim Spielen mit ihren Puppen (oder Action Figuren) aufmerksamer zu beobachten.

Original Soundtrack zum Film: Lars & the Real Girl [UK-Import]

Drehbuch: Nancy Oliver
Regie: Craig Gillespie

Lars und die Frauen (OT: Lars and the Real Girl) Cast:
Lars Lindstrom - Ryan Gosling
Karin Lindstrom - Emily Mortimer
Gus Lindstrom - Paul Schneider
Doc Dagmar - Patricia Clarkson
Margo - Kelli Garner

Andere Neustarts der Woche (diese Woche ist super!):
Walk Hard - die Dewey Cox Story -- unbedingt angucken, ganz toll schräge Sache 10/10
Horton hört ein Hu! -- Nachfolger des Ice-Age Duos

Läuft auch noch:
I'm not There
Sweeney Todd - der teuflische Barbier aus der Fleet Street - super!
8 Blickwinkel - hat mir auch sehr gut gefallen
Im Tal von Elah - mit Tommy Lee Jones und Charlize Theron ist auch nicht grottig

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