17.03.2009
Despereaux - Der kleine Mäuseheld Kritik
Der britisch-amerikanische Animationsfilm Despereaux - Der kleine Mäuseheld basiert auf dem von mir nicht gelesenen Kinderroman mit dem treffenden Titel Despereaux: Von einem der auszog das Fürchten zu verlernen von Kate DiCamillo.
Der wunderschön gezeichnete Despereaux - Der kleine Mäuseheld erzählt ein oberflächlich gesehen einfaches Märchen (und eine Prinzessin kommt auch darin vor, oops), präsentiert aber vielfältige Interpretationsmöglichkeiten und jede Menge Gesprächsstoff für Eltern und Kinder. Despereaux ist kein grellbunter Film, kein modernes Märchen mit oberknuffigen Figuren (außer der liebenswerten kleinen Maus selbst) und viel Humor, sondern erzählt seine Geschichte(n) eher in der Tradition der Gebrüder Grimm.
Die Themen der Autorin Kate DiCamillo sind zeitlos relevant. Sie macht ein gutes Argument für die Förderung von Zivilcourage, Kreativität und Individualität - solange diese nicht zum Schaden der Menschheit führen sollen - und zeigt, dass bei der Bildung von Charakterstärke gute Vorbilder und Liebe von Vorteil, für manchen sogar unerlässlich sind. Das gelingt vornehmlich durch das Nebeneinanderstellen zweier sich ursprünglich sehr ähnlichen mutigen Figuren - Despereaux und Roscuro - die dann sehr unterschiedliche Wege einschlagen... Gezeigt wird auch, welche Auswirkungen ein Mangel an Toleranz und Verständnis haben kann, besonders wenn gepaart mit Impulsivität. Handelt es sich bei dem intoleranten und impulsiven Menschen um einen Machthaber, dann haben seine Untertanen bald nichts mehr zu lachen....
Der winzige Mäuserich Desperaux und die Ratte Roscuro haben eins gemeinsam: Sie sind unangepasste Außenseiter. In der Mäuseschule versucht man vergeblich, Despereauxs Abenteuerlust, Mut und Individualität den Garaus zu machen. Despereaux lässt sich nicht verbiegen. Er lässt sich keine Angst einjagen. Wenn gefragt wird: Was bist Du - Maus oder Mann? Guckt er eher verwirrt, als mit Inbrunst Maus! zu antworten, wie's von ihm verlangt wird. Er will sich kein Label aufdrücken lassen. Wir sind alle gleichwertige Lebewesen, so seine Ansicht. Feindbilder? Überflüssig! Höchstens als Gentleman-Maus darf man ihn bezeichnen.
Roscuro will nicht in der Dunkelheit verborgen leben, sondern sich die Welt bei Tageslicht ansehen. Bei einer Exkursion in den königlichen Palast fällt er in den Suppenteller der Prinzessin, die vor Schreck stirbt. Das Königshaus reagiert völlig überzogen mit unangemessener Härte auf den Unfall: Es gibt ab sofort keine Suppe mehr, Ratten werden verbannt und bald leidet das gesamte Königreich Dor unter den Veränderungen. Die Lebensfreude ist dahin. Roscuro landet im Kerker, im dunklen Untergrund, der seine eigene Gesellschaft Ausgestoßener beherbergt. Der Untergrund bietet einen guten Nährboden für Gewalt, Hass und Menschenverachtung.
Desperaux seinerseits wagt sich auch in den Königspalast und lernt die Prinzessin kennen (die Schwester der Verstorbenen). Er hat Glück, denn Mäuse sind lange nicht so gefürchtet und verhasst wie Ratten. Die Prinzessin hört der kleinen Maus zu und umgekehrt.
Despereaux mausert sich zum Vermittler, zum Botschafter zwischen den Menschen und den Nagern. Als auch Despereaux im Untergrund landet und mit Roscuro Bekanntschaft macht, wird sein Charakter auf die Probe gestellt. Er überredet Roscuro dazu, sich zu entschuldigen. Doch die Prinzessin reagiert unerwartet ablehnend - was Roscuro verbittert in die Arme der dunklen Mächte treibt.
Schön gemacht: Auch die Menschen kommen nicht ohne Hilfe aus. Der gutmütige Despereaux, der nie seinen Glauben an die Menschheit verliert, wird zum Helden. Mit gutem Beispiel voran. So wird auch gezeigt, dass jeder seinen Platz hat, dass alle gebraucht werden, auch wenn ihr Nutzen nicht offensichtlich ist oder sie als Plage angesehen werden. Wie wir in Bee Movie gesehen haben, dass es ohne Bienen nicht geht....
Despereaux - Der kleine Mäuseheld wartet noch mit einer dritten Außenseiterfigur auf: Einer nicht sonderlich schönen jungen Frau, die als Magd im Palast landet. Von Neid auf die Prinzessin zerfressen, macht sie Bekanntschaft mit ihrer dunklen Seite und hat ihr nichts entgegenzusetzen. Wir erfahren, dass auch sie ursprünglich eine Ausgestoßene war, die in ihrem Leben vornehmlich eins kennenlernte: harte Arbeit auf dem Bauernhof. Ohne Liebe, Familie und Anerkennung aufgewachsen, sucht sie nach einem Ersatz und bringt sich in Schwierigkeiten.
Die Erzählstruktur von Despereaux ist vielleicht etwas gewöhnungsbedürftig. Der Film stellt seine Helden nicht, wie wir das heute gewohnt sind und deshalb erwarten, gleichzeitig vor, sondern einen nach dem anderen. Erwachsene Zuschauer fragen sich vielleicht, weshalb wir zuerst die Backstory der Ratte Roscuro sehen -- soll's hier nicht um 'ne Maus namens Despereaux gehen? - doch macht diese Erzählstruktur natürlich Sinn im Kontext der Geschichte. Muss man diese kleine Abweichung von der Norm heute schon als Mut zur Individualität bezeichnen? Die Filmbewertungsstelle befand Despereaux - Der kleine Mäuseheld als "wertvoll". Ich würde ihm ein "besonders wertvoll" geben.
Despereaux - Der kleine Mäuseheld ist toll gezeichnet. Es bietet jede Menge für's Auge, zeigt Liebe zum Detail und dem Einfallsreichtum der Autorin. Das ist einer der Filme, die man sich auch auf DVD anschaffen und mehr als einmal ansehen kann. Es ist sogar ratsam, den Film mehrmals anzusehen, denn es gibt immer wieder etwas zu entdecken, was man vorher übersehen hat.
Bruno Bettelheim hätte vermutlich sehr viel Freude an Despereaux - Der kleine Mäuseheld. (Lesetipp für Eltern: Bruno Bettelheim darüber, was und wie Kinder von Märchen lernen - Kinder brauchen Märchen)
Sprecher der Originalversion: Erzählerin (Sigourney Weaver, Baby Mama, demnächst: Avatar), Despereaux (Matthew Broderick), Roscuro (Dustin Hoffman, demnächst: Liebe auf den zweiten Blick), Prinzessin (Emma Watson, demnächst: Harry Potter und der Halbblutprinz), Magd (Tracy Ullman).
Despereaux - Der kleine Mäuseheld -- Genre: Animationsfilm/Kinderfilm -- deutscher Kinostart: 19.03.2009 -- FSK: ab 6 Jahren
Drehbuch: Gary Ross (Seabiscuit, Pleasantville), basierend auf dem Kinderroman Despereaux: Von einem der auszog das Fürchten zu verlernen von Kate DiCamillo.
Regie: Sam Fell (Flutsch und weg) und Robert Stevenhagen (Erslingswerk)
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Labels:
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