15.02.2009

Short Cut to Hollywood Kritik - Berlinale


Castrop-Rauxel. Den drei Freunden Johannes (Jan Henrik Stahlberg), Matt (Marcus Mittermeier) und Chrismon (Christoph Kottenkamp) geht plötzlich auf, dass "der große Durchbruch", auf den die unterdurchschnittlich begabten Musiker warten, vielleicht gar nicht kommt. Es muss etwas geschehen, und zwar pronto, denn die Jungs gehen auf die 40 zu.

Die Idee: Sie filmen ihren Aufstieg, ihren Weg zum Ruhm in den USA. Im Mittelpunkt soll dabei Johannes Selinger stehen, der sich fortan John F. Salinger nennt. John F. Salinger and The Berlin Boys, so nennt sich das Chaos-Trio. Um in die Presse zu kommen, amputiert Matt vor laufender Kamera John den kleinen Finger, dann kündigt John F. auch noch seinen Tod an. Das gibt tatsächlich einen kleinen Bericht in der Lokalpresse. Mehr nicht.

Doch der Assistent des Filmproduzenten in Miami ist nicht beeindruckt. Es müssen größere Waffen her. John lässt sich den Arm amputieren und stellt ihn dem Produzenten auf den Tisch. Immer noch nichts. Ist es denn zu fassen? Erst die Tagesnachrichten bringen die wirklich zündende Idee, durch die das Trio - jetzt als die Baghdad Street Boys - endlich mehr Medien-Aufmerksamkeit und dann einen Vertrag mit TV-Produzentin Paula (Allison Findlater-Galinski) bekommt. Bald leben die 3 Chaoten den Traum von Sex, Drogen und TV. Doch die Uhr tickt, denn John F. Salinger hat versprochen zu sterben - vor der Kamera, in seiner John F. Salinger Show.

Die schwarze Komödie Short Cut to Hollywood mit ihrer bizarren Amputations-Story á la Boxing Helena erinnerte mich an zwei englische Sprüche: "I'd give my right arm for this" und "they charge an arm and a leg". Die Komödie konnte immer wieder Lacher aus den Zuschauern herauskitzeln, bis dann das Ende kam. Das ziemlich verschenkte Ende. Mann.

Eine Zuschauerfrage an den Autor bezüglich des Endes zeigte, dass ich nicht alleine war, dass das Ende nicht supi ankam. Stahlberg sagte, er sei ursprünglich von einer Euthanasie-Doku inspiriert worden und letztlich gaben die ganzen Reality-Shows wohl weitere Inspirationen. Diese verhassten Reality-Shows, die Millionen in ihren Bann ziehen. Auch die Darstellerin des Groupies Shannon, Marta McGonagle, meinte in den Q & A nach dem Screening, dass das Auf-die-Schippe-nehmen des Reality Genres für sie ein großer Anreiz war, bei Short Cut to Hollywood mitzumachen.

Gut und schön, dann hätte man das aber auch konsequent machen können, statt den verrückten Mythos, dass "Reality"-Shows tatsächlich die Realität zeigen, durch Short Cut to Hollywood weiter zu propagieren. Ein Entblößen der gefakten "Reality" hätte Short Cut to Hollywood auch zu einem witzigeren und glaubhafteren Ende und auf jeden Fall zu mehr dringend nötiger Tiefe verhelfen können (siehe Video unten, in dem Autoren von "Reality" Shows ein paar Worte dazu sagen - und auch darüber, dass sie schlechter bezahlt werden etc.). Oder gar zu einer Seele, die der oberflächlichen Komödie gänzlich fehlt, obwohl Ansätze da sind, die man nur hätte auszubauen brauchen.

Nachdem ich mir noch die witzige kanadische Komödie High Life angesehen habe, wurde mir auch noch folgendes schmerzlich bewusst: Die Figuren in Short Cut to Hollywood sind so gar nicht einprägsam, unterscheiden sich nicht voneinander. Drei blonde Jungs aus Castrop-Rauxel, die befreundet sind. Ich könnte nicht sagen, was den einen vom anderen unterscheidet. In High Life gibt's Charaktere, die man als Menschen erkennt. Ferner gibt's dort auch jede Menge einprägsame Bilder und witzige Situationen, die im Gedächtnis bleiben und über die man auch am nächsten Tag noch grinsen kann. Bei Shortcut? Nur der amputierte Arm im Büro der Prodco.

Stahlberg hat Talent, neigt aber zum schnellen Pay-Off, legt nichts über längere Strecken an, hat den Zuschauer gerne immer dabei. [Ab und an hätte man aber auch in einem Flashback zeigen können, welche Deals man mit Paula gemacht hat. Und wie letztlich der Tod Salingers, vorzugsweise der gefakte, die CD in die Charts katapultierte und die Berlin Brothers bzw. Baghdad Street Boys nun rätseln lässt, wie man denn nun weitermacht, auf der Welle des Erfolgs, wie man den wiederauferstandenen JFS erklärt. Zumindest träumen kann man von einem befriedigenderen Ende, oder?.... Ausgeträumt.] Und wie gesagt, Charaktere zu erschaffen, das könnte auch noch geübt werden, denn das gäbe der Komödie eine zusätzliche Dimension.

Fazit: Für eine Produktion mit dem "Budget eines TV-Films" ist Short Cut to Hollywood gar nicht übel, es ist nicht langweilig und es gibt definitiv genug zu lachen. Das Ende bringt den Film nicht um, auch wenn's mir so gar nicht passt. Sobald der Vorhang fällt, hat man allerdings schon vergessen, worüber man eben noch gelacht hat. Im Kopf blieb mir lediglich die Szene mit dem Produzenten und dem Arm, die gab auch optisch etwas her, was allerdings leider die Ausnahme darstellt. Tolle Landschaften als Hintergrund haben wir schon so oft gesehen, die sind nicht einprägsam. Wir glauben auch so, dass die Jungs in den USA waren. Friendship! mit Matthias Schweighöfer, das auch bald in die Kinos kommt, hat da eine Menge mehr zu bieten...

PS: Die Filmemacher haben schon einmal mitgeteilt, dass sie genug Material für ein superduper Making Of gedreht haben, es wird also genug Bonus-Material auf der DVD geben. Und eine CD mit dem Soundtrack wurde auch angedroht. Oy.

Update: Den Short Cut to Hollywood Soundtrack von den Baghdadstreetboys gibt's jetzt tatsächlich als CD und auch im MP3-Format zum downloaden. Link: Short Cut to Hollywood

Short Cut to Hollywood -- Genre: Komödie -- deutscher Kinostart: 02.07.2009 nö, doch nicht, jetzt: 24.09.09 -- FSK: ab 16 Jahren (Fingeramputation in Close-Up, Blut und unnötig viel Sex)
Drehbuch: Jan Henrik Stahlberg (Bye Bye Berlusconi, Muxmäuschenstill)
Regie: Jan Henrik Stahlberg (Bye Bye Berlusconi) und Marcus Mittermeier (Muxmäuschenstill)

Short Cut to Hollywood Trailer



Video: Is "Reality" Written? Anlässlich des Autorenstreiks meldeten sich Reality-Autoren zu Wort, die gerne mit dem Mythos Reality (inkl. Casting Shows)=Realität bzw. Dokumentation aufräumen würden.. und auch gerne krankenversichert wären, einen Rentenanspruch hätten, etc. (Länge: 3:18)



KINO -- TV -- Friendship!

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3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Hallo!

Ich habe mir gestern das Preview dieses Filmes antun dürfen.

Kann man über so einen Unfug irgendwas Positives vermelden? NEIN! Der Film ist der schlechteste Film, den ich mir je angeschaut habe. Die Story ist absolut flach und die wenigen Lacher sind aus der Not geboren, um wach zu bleiben oder nicht gleich aufzustehen und das Kino zu verlassen. Viele haben das getan und ich kann sie komplett verstehen. Wie kann man sowas auch nur im Ansatz als gut kritisieren. Das Ende passt zum Film. Geschmacklos und in keinster Weise nachdenklich stimmend oder was auch sonst bezweckt wurde mit dem Text.

Mein Fazit lautet:

Tut euch das nicht an oder verlangt den Eintritt zurück, dass solche Filme nicht weiter die Kinoleinwand verschandeln!

VoP hat gesagt…

Oh, wow, da war das Berlinale-Publikum doch etwas... großzügiger. Kann natürlich daran gelegen haben, dass einige Filme (wie jedes Jahr) enttäuscht haben und wir dann mit zero Erwartungen zu den nachfolgenden Screenings gingen. Oder dass viele eingefleischte Fans der Filmemacher im Publikum saßen und die Stimmung hoben... Wenn Short Cut to Hollywood allerdings der schlechteste Film war, den Du jemals gesehen hast, dann ist dir viel viel viel erspart geblieben.

Schwamm drüber.

Freu Dich auf Friendship!. Leider wurde dessen Starttermin gerade auf den 14.01.2010 zurückgestellt :( Der ist so toll, den werde ich mir auf jeden Fall nochmal angucken, weil's so schön war.

Anonym hat gesagt…

Ich muss leider dem ersten Kommentar in jeglicher Hinsicht zustimmten! Ich habe das Kino nach einer halben Stunde verlassen!!