03.07.2009

Crossing Over Kritik - Harrison Ford, Liotta, Judd, Sturgess

Auswandern - das wäre toll. Dass der Traum vom Leben anderswo auch immer mehr Deutsche erfasst, dem tragen Sendungen wie Goodbye Deutschland, Auf und davon - Mein Auslandstagebuch und die 4-teilige ZDF-Reportage Der Traum vom Auswandern Rechnung. Der provokante Spielfilm Crossing Over gibt uns unsentimentale und realistische Einblicke in das, was die Einwanderungswilligen unter Umständen so erwartet.

Vielleicht überrascht der Realismus von Crossing Over etwas weniger wenn man hört, dass Drehbuchautor und Regisseur Wayne Kramer selbst diesen Prozess durchlaufen hat. Zwischen seiner Einreise aus Südafrika und seiner Einbürgerung im Jahr 2000 lagen 14 Jahre, die er als Resident Alien mit einer Green Card zubrachte. Erfreulicherweise überlässt es der Film den Zuschauern, sich ihre Gedanken zum Thema zu machen und ihre eigenen Schlüsse zu ziehen.

Crossing Over bringt erstaunlich viele Perspektiven, Situationen und potenzielle Probleme auf den Tisch. Probleme, die einwanderungswilligen Multimillionären und VIPs erspart bleiben, denn denen stehen nach wie vor (9-11-2001) alle Türen offen.

Dieser Fakt wird ganz nebenbei erwähnt, als es darum geht, dass zwar eine bekannte Schauspielerin wie die Australierin Naomi Watts keine Probleme mit einer Green Card hätte, die unbekannte australische Schauspielerin Claire Shepard (Alice Eve, Big Nothing) sich allerdings keine Hoffnungen auf eine Arbeitsgenehmigung zu machen braucht. Da könnte ja jeder kommen...

Claire ist sich dessen bewusst und fasst Prostitution in's Auge. Genauer gesagt: einen amerikanischen Ehemann. Dumm nur, dass sie sich in den britischen Musiker Gavin (Jim Sturgess, 21) verliebt, denn Gavin arbeitet genau wie sie daran, eine Green Card zu bekommen. Eine Beziehung mit ihm wäre demnach nicht sonderlich hilfreich. Gavin bewegt sich selbstbewusst außerhalb der Legalität, was ihn jedoch nicht davon abhält, Claire wegen ihren Absichten niederzumachen. Der Zufall kommt Claire zu Hilfe, denn der schmierige Einwanderungsbeamte Cole Frankel (Ray Liotta, Shopping Center King) macht ihr ein verlockendes Angebot, das sie anzunehmen gezwungen ist, wie er ihr verdeutlicht.

Währenddessen vertritt Frankels Ehefrau Denise (Ashley Judd, demnächst: Helen), eine Anwältin mit Spezialgebiet Einwanderungsrecht, u. a. die Schülerin Taslima (Summer Bishil). Taslima ist die Tochter muslimischer Einwanderer, trägt Kopftuch und wagt es trotzdem, sich als Amerikanerin zu fühlen und im Klassenzimmer zum Thema Terrorismus ihren Mund aufzumachen. Gleich steht das FBI vor der Tür und Talisma, deren jüngere Geschwister in den USA geboren wurden und demnach die amerikanische Staatsbürgerschaft besitzen, droht die Abschiebung.

Max Brogan (Harrison Ford, Indiana Jones IV) ist als Agent der ICE (Immigration and Customs Enforcement) u. a. damit beschäftigt, illegale Einwanderer aufzuspüren und festzunehmen. Dabei versucht Brogan, im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten dafür Sorge zu tragen, dass die Einwanderer menschlich behandelt werden. Dass nicht jeder Beamte das so sieht zeigt eine Szene, in der sich Brogan nach dem Verbleib eines Einwanderers erkundigt, der ärztliche Versorgung benötigte. Als Brogan bei einer Razzia die Mexikanerin Mireya Sanchez (Alice Braga, Redbelt, demnächst: Repossession Mambo) in ihrem Versteck findet, schwankt er für eine Sekunde. Die alleinstehende Mutter fleht ihn an, sich um ihren kleinen Sohn zu kümmern. Von seinen Kollegen unter Druck gesetzt, versucht Brogan, Mireyas Schicksal zu vergessen, was ihm nicht gelingt. Schließlich findet er den Sohn, bezahlt die mexikanische Nanny und kümmert sich persönlich um den Jungen.

Brogans Partner Hamid Brahaheri (Cliff Curtis, 10.000 BC, demnächst: Push) ist Sohn iranischer Einwanderer. Nach außen hin ist Hamid angepasst und nimmt seine Verpflichtungen als ICE-Agent sehr ernst. Doch während Hamid bei Mireya keine Sekunde zögerte, ist er bei einem jungen männlichen Einwanderer viel großzügiger. Er kann die Haltlosigkeit des koreanischen Teenagers Yong Kim (Justin Chon, Twilight, New Moon - Biss zur Mittagsstunde) verstehen und sieht sogar über dessen kriminelle Aktivitäten hinweg. Hamids Familie hält an alten Traditionen fest. Der Familie ist Hamids allzu "amerikanisierte" Schwester Zahra (Melody Khazae) ein Dorn im Auge, sie wird ausgestoßen. Dann wird sie ermordet aufgefunden und Brogan wird in den Fall verwickelt.

Crossing Over zeigt deutlich, wie schwierig es für Einwandererkinder bestimmter Kulturen sein kann, Fuß zu fassen. Wie das Filmplakat schon mitteilt: Die Grenze zu überwinden ist nur der erste Schritt. Für mehrere Generationen noch kann ein "fremdes" Aussehen und ein fremd klingender Name eine Hindernis darstellen, immer wieder für Fragen und Vorbehalte sorgen. Das ist natürlich kein amerikanisches Phänomen, das trifft zumindest auf die westliche Welt per se zu.

Die Einwandererkinder der ersten Generation kämpfen an zwei Fronten und sind oft unweigerlich gezwungen, sich für eine Kultur zu entscheiden bzw. ein anstrengendes Doppelleben zu führen. Egal, wie sie sich auch entscheiden, sie müssen einen Preis bezahlen, wie man an Zahra und Talisma sieht. Wer auf den ersten Blick als Einwanderer zu erkennen ist, der weiss, dass das Recht auf freie Meinungsäußerung für ihn Gefahren birgt. Ausgenommen sind natürlich Äußerungen, die enthusiastische Lobeshymnen auf's neue Heimatland sind.

Crossing Over zeigt aber auch die Grenzen der Beamtenwillkür und dass letztlich oft der Zufall entscheidet, wer seinen Traum verfolgen kann. Dabei hat die arme Mireya von Anfang an schlechtere Karten als Gavin oder Claire, bei denen im Prinzip nichts auf dem Spiel steht als lediglich eine von mehreren Möglichkeiten auf Ruhm und Geld. Und die beiden hellhäutigen Menschen, deren Muttersprache Englisch ist, haben auch mehrere Möglichkeiten, an ihre Green Card zu kommen.

Anwältin Denise muss sich vermutlich immer wieder sagen: You win some, you lose some. Man darf gespannt sein, wie bzw. ob unter dem neuen Präsidenten Obama das seit 9/11 verschärfte Einwanderungsgesetz und die nervigen lächerlichen Einreisebestimmungen wieder verändert werden.

Der Soundtrack von Crossing Over wurde von Mark Isham (Die Bienenhüterin, The Women, demnächst: My One and Only) komponiert. Links: Der Soundtrack ist erhältlich als CD und als MP3-Download

Demnächst im Kino: Die Einwanderungskomödie Selbst ist die Braut mit Sandra Bullock und Ryan Reynolds.

Crossing Over -- Genre: Drama -- deutscher Kinostart: 25.06.09 --Länge: 113 Minuten -- FSK: 16
Drehbuch und Regie: Wayne Kramer

Crossing Over deutscher Trailer



Startseite

Abonniere den Newsletter! Einfach hier klicken

Keine Kommentare: