16.01.2009

Zeiten des Aufruhrs Kritik + Trailer - Winslet und DiCaprio

Zeiten des Aufruhrs, mit Kate Winslet und Leonardo DiCaprio als Ehepaar, hat mich mit dem Ende von Titanic versöhnt. Die Ehe-Tragödie basiert auf dem 1961 erschienen Roman Revolutionary Road von Richard Yates, bei uns erschienen unter dem Titel Zeiten des Aufruhrs.

Vorab bemerkt: Als ich vor ein paar Monaten das Drehbuch von Justin Haythe (Anatomie einer Entführung) las, hat mich Zeiten des Aufruhrs nicht völllig begeistert. So etwa ab der Mitte der Story nahm mein Interesse ab und das Ende der Tragödie hat mir dann den Rest versetzt. Dunkel und schmerzhaft, ohne auch nur einen Funken Mitleid für den Zuschauer/Leser. Keine Sekunde Humor, der einen Moment der Erleichterung verschaffen würde auf dem Weg zur totalen Katastrophe. Der Trailer zum Film allerdings, der sah sowas von super aus. Na, sagte ich mir, dann schauen wir doch 'mal, welch großen Unterschied die Performances der Schauspieler machen. Mein Interesse hielt beim Film tatsächlich länger an, doch das Ende hinterlässt immer noch einen bitteren Nachgeschmack. Zeiten des Aufruhrs ist also gänzlich ungeeignet,um einen aus der Winter-Depri zu ziehen oder wieder aufzubauen an einem Montag nach der Arbeit.

Mitte der 50er Jahre. Gleich am Anfang sehen wir April Wheeler (Kate Winslet, Little Children, demnächst: Der Vorleser), die als Schauspielerin bei einer Laientheater-Aufführung versagt. Ihr ist ihr Versagen voll bewusst. Das ist besonders schmerzlich, weil sie früher Ambitionen hatte, Schauspielerin zu werden und auch studiert hat. Versagt. In einer stümperhaften Aufführung in einer Schule in der Vorstadt, in der April mit ihrer Familie lebt. Welche Blamage. Sie ist am Boden, will nur noch nach Hause. Was hatte sie sich erhofft?

Ihrem Ehemann Frank Wheeler (Leonardo DiCaprio, Der Mann, der niemals lebte, demnächst: Shutter Island) ist das nicht sonderlich wichtig. Seine Frau ist eine Hausfrau und Mutter, keine Schauspielerin. Er hat Null Einfühlungsvermögen, kein tröstendes Wort für sie. Frank hat zugesagt, mit Bekannten noch feiern zu gehen und ist sauer, als April nicht mitmacht. Auf der Heimfahrt streiten sie sich gehörig. Er sagt ihr auf den Kopf zu, dass sie ihre Schauspiel-Ambitionen am besten endlich begraben würde, sie sagt ihm, er solle sich doch 'mal richtig ansehen, er sei "kein Mann". Die erste Auseinandersetzung, der noch etliche folgen werden.

April erinnert sich, wie sie damals so unwillig in die langweilige Vorstadt zogen. Die Immobilienmaklerin Helen Givens (Kathy Bates, Der Tag, an dem die Erde stillstand) hatte die beiden gleich durchschaut, die sich für etwas besseres hielten. Trotz allem war April noch hoffnungsfroh. Doch jetzt, zwei Kinder später....

Frank arbeitet in der Firma Knox, für die auch schon sein Vater tätig war. Er geht in der Masse genauso unter, wie sein Vater, an den sich niemand mehr erinnert. Doch heute, an seinem Geburtstag, verführt er eine der Sekretärinnen. Er lügt, dass einem die Kinnlade 'runterfällt und wir erinnern uns an DiCaprios Frank in Catch Me if You Can.

April kommt mit einer verrückten Idee an: Wir ziehen nach Paris! Nicht das in Texas, das in Frankreich! Damals, als sie sich kennenlernten, hatte ihr Frank von Paris vorgeschwärmt. Sie will dort arbeiten, er soll "sich selbst finden". Frank ist nach anfängichem Zögern fasziniert von der Idee und stimmt zu. Plötzlich kehrt wieder Leben in ihre Beziehung ein. Wir atmen auf, für fünf Minuten oder so besteht Hoffnung

Zwar denken wir heutzutage sofort an "Arbeitserlaubnis" oder "Visum", doch derlei ist für die Story unwesentlich. Wir haben auch Hoffnung, dass wir jetzt zusammen mit Frank und April etwas erleben. Doch nein - April wird schwanger, Frank wird befördert und Paris wird zu einem weiteren Traum, den man sich nicht erfüllt hat. April schwankt, will nicht aufgeben. Doch ist man zu allem Übel auch noch von Nein-Sagern umgeben.

Im Drehbuch empfand ich das Auftauchen von Mrs. Givens Sohn John (Michael Shannon, Tödliche Entscheidung, demnächst: Missing Person), der den Zuschauern auffälligst die Dynamik der Ehe von Frank und April erklärt, als höchst ungeschickt und störend. Analyse auf dem Silbertablett serviert, dachte ich. Michael Shannon legt allerdings eine super-Performance hin als der kirre John, die lenkt ziemlich von dieser Schwachstelle ab. Erklärungen, die wir heute eigentlich nicht mehr brauchen.

Auffällig: Die beiden Kinder der Wheelers sind so gut wie nie zu sehen (mir fallen nur zwei kurze Szenen ein). Morgens beim Frühstück fehlen sie, am Tage sind sie nicht da and wenn sich die Wheelers nachts lauthals streiten wacht keiner auf. Keine Spielsachen, keine bunte Kinderwäsche, nichts. Ich kann auf die Kinder zwar gut verzichten, hätte aber gerne mehr gewusst über die Beziehung von April zu ihren Kindern, die sind schließlich keine Möbelstücke.

Stellenweise höchst frustrierend ist, dass man einfach ab und zu gerne wüsste, was genau in den Köpfen von April und Frank vorgeht. Ob Richard Yates im Roman da großzügiger war? Zumindest gibt uns Frank einen Hinweis, wie er seine Frau sieht: Als er seine Geliebte verlässt, macht er ihr genau das gleiche Kompliment wie seiner Frau fast am Ende des Films, als sie ihm ein tolles Frühstück serviert hat. (Hoffentlich ist das in der synchronisierten Fassung auch so. Gott sei Dank läuft ZdA auch in Multiplexen, die selten OVs zeigen, ausnahmsweise auch im Original, hurra. Weiter so!)

Dieser emotionale Abstand zwischen den Eheleuten, der mag zwar dem einen oder anderen frustrierten Ehepaar bekannt sein, doch wüsste ich wirklich gern, was da in den Menschen vorgeht, wenn sie nicht miteinander reden (außer, dass sie ihr Leben hassen, was ja wohl ziemlich klar ist). Vor allem dann, wenn's hochdramatisch wird, wenn wichtige Entscheidungen getroffen werden, nimmt man die Kluft zwischen Zuschauer und Figur sehr deutlich wahr. Wenn ich mir einen Downer-Film ansehe, dann will ich gerne etwas mitnehmen, etwas erfahren, das ich noch nicht wusste. Selbst Jahre später kann ich mich z. B. noch gut an den düsteren Film Last Resort erinnern - der ging unter die Haut und gab neue Einblicke. Zeiten des Aufruhrs hat mir allerdings in der Beziehung nichts gegeben, nichts Neues gezeigt.

Teil des Problems: April und Frank haben keine richtig guten Freunde, bei denen sich ein modernes Paar vielleicht mal "ausheulen" würde. Sie haben wenig Kontakt zu ihren Nachbarn, wir lernen einzig Shep (David Harbour, Ein Quantum Trost, demnächst: State of Play) und Milly (Kathryn Hahn, Stiefbrüder) Campbell kennen. Doch auch die führen die selbe Art von Ehe, auch zwischen den Campbells ist dieser riesige Abstand. Keine Freundschaft, keine Nähe, keine Vertrautheit. Heute würden wir die Campbells als Kontrast gestaltet sehen. Richard Yates war aber anscheinend damals darauf aus, die Vorstadt bzw. die Vorstädter in den dunkelsten Farben der Palette zu malen - keine Kompromisse, kein Licht im Dunkel, kein Funken Mitgefühl mit den Zuschauern/Lesern. Es sollte wohl schmerzhaft sein und das ist es dann auch.

Erst kürzlich sah ich mir den Film Little Children mit Kate Winslet an, in dem sie eine ähnliche Figur spielt wie hier in Zeiten des Aufruhrs, und darin macht sie eine Bemerkung über Madame Bovary - es käme nicht darauf an, ob man in seinem Leben Erfolg hat mit seinen Plänen, sondern nur darauf, dass man überhaupt versucht, etwas zu ändern, aus der Routine auszubrechen, eine andere Art Leben zu führen; Der Versuch an sich sei schon ein Erfolg und deshalb respektiere sie Madame Bovary. Diese Aussage wurde für mich zum Schlüssel zu Zeiten des Aufruhrs, bietet einen interessanten Blickwinkel, aus dem man diesen Film betrachten kann. Doch zeigt Little Children eine Protagonistin, die aktiv wird, die sich verändert und der Zuschauer kann diese Veränderung nachvollziehen. Obwohl auch Little Children Rückschläge für die Protagonistin bereit hält, gibt es mehr Hoffnung als das eher starre Zeiten des Aufruhrs. Ich dachte bei mir: Wenn so die Ehe von Jack und Rose (aus Titanic) ausgesehen hätte, dann ist das (für mich endlich) okay, dass Jack ertrunken ist. Das wünsche ich meinem ärgsten Feind nicht, so ein grauenhaftes Leben.

Leonardo DiCaprio und Kate Winslet wurden verdienterweise beide für ihre Leistungen in Zeiten des Aufruhrs mit Nominierungen für den Golden Globe belohnt, Kate Winslet holte sich den Preis - und noch einen für Der Vorleser, wo sie allerdings seltsamerweise als Nebendarstellerin nominiert war. (Insgesamt gab es für den Film vier Nominierungen, siehe Bericht.)

Überrascht hat da schon eher, dass Komponist Thomas Newman (Wall-E, Little Children, Jarhead), mit dem Regisseur Sam Mendes (American Beauty, Road to Perdition, Jarhead) bei seinen letzten vier Projekten zusammenarbeitete, keine Nominierung bekam. Die Musik, wie auch die Kostüme, war einfach schön. Hier geht's zum Soundtrack: Zeiten des Aufruhrs (Revolutionary Road) Soundtrack

In den USA läuft Zeiten des Aufruhrs immer noch in sehr wenigen Kinos. Das soll sich zwar nächste Woche ändern, allerdings sind nur recht bescheidene 800 Kinos geplant. Dort hat das 50-er Jahre Drama allerdings einen schwereren Stand, da die ausgezeichnete TV-Serie Mad Men (wirklich super, kann ich jedem nur an's Herz legen) neue Standards gesetzt hat. In der Serie hat man über die Episoden hinweg natürlich auch mehr Zeit, in Details zu gehen, sich z. B. auch mit Figuren wie der Sekretärin, die mit Kollegen/Chef schläft zu beschäftigen, einen Kontrast zu schaffen zwischen Ehe- bzw. Hausfrauen und unverheirateten arbeitenden Frauen, und so einen differenzierteren Blick auf die Menschen in der Zeit zu geben.

Zeiten des Aufruhrs -- Genre: Drama -- FSK: ab 12 Jahren -- deutscher Kinostart: 15.01.09
Drehbuch: Justin Haythe, basierend auf dem Roman von Richard Yates
Regie: Sam Mendes

Zeiten des Aufruhrs Cast:
April Wheeler - Kate Winslet
FrankWheeler - Leonardo DiCaprio
Milly Campbell - Kathryn Hahn
Shep Campbell - David Harbour
Helen Givings - Kathy Bates
John Givings - Michael Shannon

Zeiten des Aufruhrs - deutscher Kinotrailer (1:55)



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