11.12.2008

Tag an dem die Erde stillstand Kritik


Der Tag, an dem die Erde stillstand 2008 zeigt uns die Welt und die menschliche Natur aus der Perspektive des Außerirdischen Klaatu (Keanu Reeves, Street Kings, demnächst:  Pippa Lee). Drehbuchautor David Scarpa (Die letzte Festung) hat sich anscheinend die ständigen Klagen der US-Elite-Kritiker zu Herzen genommen, dass die Zuschauer intelligent sind und nicht alles per Dialog oder gar per "Erzähler aus dem Off" auseinanderklabüstert bekommen müssen, und setzt in seiner Adaption statt auf Dialog oft auf die Bildsprache und darauf, dass die Zuschauer mitdenken. Das hat er auch toll hingekriegt in den Szenen, in denen Menschen im Mittelpunkt stehen. Schade nur, dass Regisseur Scott Derrickson (Der Exorzismus der Emily Rose) so völlig begeistert war von den Szenen, in denen er uns den Stand der CGI-Technik vorführen konnte. Das funktioniert zwar über eine weite Strecke super, aber irgendwann nutzt es sich ab. Die subtile Entwicklung der Figur des Klaatu, sowie dessen Erkenntnisse, haben daneben einen schweren Stand.

[Obligatorische Info vorneweg: Der Tag, an dem die Erde stillstand ist die "Wiedergeburt" des gleichnamigen Films von 1951 Kritik und Originaltrailer zur Vorlage:> Der Tag, an dem die Erde stillstand (1951). Die Filmbewertungsstelle verlieh diesem Remake das "Prädikat besonders wertvoll".]

Nachdem wir in der Vergangenheit jede Menge Filme, Bücher und Artikel darüber gesehen haben, wie der Planet von den Menschen mißhandelt wird, setzt Der Tag, an dem die Erde stillstand dieses Basiswissen voraus, hält uns unsere Fehler nicht (noch einmal) vor Augen. Den Film interessieren diese Fragen: Warum verhalten sich die Menschen so? Warum ändern sie ihr Verhalten nicht? Sind die Menschen schlicht und einfach unbelehrbar? Die Antwort, die der Film gefunden hat, liegt tief in der menschlichen Natur begründet. Die Antwort zeugt - wie überhaupt der ganze Fim - von einer tiefen Sympathie für diese fehlerbehafteten Kreaturen, die Menschen.

Als ein unbekanntes Flugobjekt mit einem Affenzahn auf die Erde zuschießt (auch noch direkt auf Manhattan, das geht ja 'mal gar nicht!), bricht an den üblichen Stellen die Panik aus. Daraufhin wird die Astro-Biologin Helen Benson (Jennifer Connelly, Ein einziger Augenblick, demnächst: Er steht einfach nicht auf dich) kurzerhand abgeholt, um zusammen mit anderen Wissenschaftlern die Regierung bei der Lösung dieses Problems eventuell zu unterstützen. Dass Helen in diese Gruppe mit einbezogen wurde, liegt übrigens an ihrer Beziehung zu Michael (Jon Hamm, TV: Mad Men), der für die NASA arbeitet. Warum er das gemacht hat, können wir uns bald denken - Helen und er wissen, wie in solchen Situationen gearbeitet wird...

Doch die erwartete Katastrophe passiert nicht. Statt dessen verlangsamt sich das Objekt und setzt sanft auf der Erde auf. Die anwesenden Wissenschaftler in ihren Raumanzügen sind geblendet vom gleißenden Licht. Eine Gestalt - Klaatu - geht auf Helen zu. Klaatu und Helen wollen sich gerade die Hand reichen, da fällt ein Schuss. Blut spritzt auf Helens Helm, Klaatu geht zu Boden. Noch eine weitere Gestalt wird sichtbar, ein riesiger und furchteinflößender Roboter namens GORT (kurz für Genetic O-irgendwas Robot Technology oder so ähnlich).

GORT reagiert allergisch auf Gewalt und man sollte ihm auch nicht zu nahe kommen. Nicht überraschend, dass die Menschen versuchen, GORT auszutricksen. Viel Glück damit. Wie die kleinen Kinder... Was würde wohl passieren, wenn wir an jeder Ecke einen GORT hätten?

GORT ist ein Kapitel für sich. Als er "überlistet" und einkassiert wurde, sehen wir ihn hinter Glas. So, wie er dort steht, sieht er aber nicht eindrucksvoll aus, sondern eher wie eine unbewegliche Plastikpupp... sorry, Action Figur.

Im Labor entdecken die Ärzte, dass Klaatu von einer dicken Schutzschicht umgeben ist, die u. a. Plazenta enthält. Das Entfernen dieser grauen Schicht entspricht der (Wieder)Geburt von Klaatu als Mensch. Die Regierung macht, was Regierungen in solchen Fällen eben tun - Klaatu soll unter Drogeneinfluss und an einen Lügendetektor angeschlossen verhört werden. Doch Helen widersetzt sich der Autorität und spritzt Klaatu statt der Droge einfach nur Kochsalzlösung. Er soll fliehen, flüstert sie ihm zu. Das macht er dann auch, im Anzug des Beamten, der ihn verhörte.

Die Mission von Klaatu: Er soll den Planeten retten. Da die Menschen gezeigt haben, trotz diverser Warnungen, dass sie nicht bereit sind, ihr Fehlverhalten zu ändern, müssen sie eben eliminiert werden. Klaatus Standpunkt: Die Erde gehört den Menschen nicht, sie haben sie auch nicht "von ihren Kindern nur geborgt". Ihr "Herren"-Verhalten gegenüber allen anderen Kreaturen, der Natur per se, ist untragbar geworden. Die Menschen werden entfernt, die Schäden, die sie angerichtet haben, werden repariert, und dann herrscht wieder Frieden im Universum.

Der Prozess hat schon begonnen, überall auf der Welt werden Tiere eingesammelt und gut verpackt, damit sie das letzte Stündlein der Menschheit gut überstehen. Als dieser Fakt an's Tageslicht kommt, fragt Verteidigungsministerin Jackson (Kathy Bates (Die Gebrüder Weihnachtsmann, Zeiten des Aufruhrs): "Welcher Geheimdienst hat uns die Bilder geschickt?" Kein Geheimdienst, die haben wir aus dem Internet, so die Antwort. ;)

Klaatu kommt auf seiner Flucht durch den Bahnhof Penn Station. Er beobachtet regungslos, wie sich zwei Männer streiten und handgreiflich werden. Menschen! Für diese aggressionsgeladenen Barbaren käme doch alle Hilfe zu spät...

In der Penn Station bekommen wir eine von Scarpas besten, quasi dialog-freien Szenen geliefert: Ein kleiner hungriger armer Junge sieht Klaatu an, der sich (ohne Geld, einfach nur durch Handauflegen) am Sandwich Automaten bedient. In der Packung sind zwei Sandwiches. Der Junge bettelt mit seinen Blicken. Klaatu beißt in ein Sandwich, zeigt keinerlei Reaktion. Die Mutter zieht den Jungen aus dem Blickfeld. Ist Klaatu grausam und herzlos? Der Sandwich-Automat ist voller Sandwiches - es ist ja genug für alle da, könnte er denken. Vielleicht ist ihm nicht klar, dass die Menschen die "Verteilung der Sandwiches" so geregelt haben, dass Hunger und Bedarf keine Rolle spielen. Klaatu konnte sich nehmen, was er brauchte, eine Selbstverständlichkeit für ihn. Der arme hungrige Junge muss erst einmal sehen, dass er irgendwie zu genug Geld kommt, bevor er sich bedienen kann... An einem persönlichen Beispiel die Perversion dieses (Welt-)Systems gezeigt.

Jetzt sollte ich ein paar Worte zu Klaatu = Jesus, GORT = Gott sagen, weil's für die Story wichtig ist. Vorausgeschickt: Bibel als Literatur gesehen, nicht irgendwie anders. Wenn ich die Bibel-Geschichten richtig erinnere, war Gott nicht gerade eine liebe Figur, die gerne vergibt und vergisst, sondern konnte richtig zornig werden, der Welt irgendwelche Plagen schicken, usw. GORT macht das auch. Jesus war dagegen der Softie, der Pazifist, derjenige, der sagte "lasset die Kindlein zu mir kommen ... und ihr sollt werden die Kinder" und auch, wer zu Gott will, dessen Weg führt "nur durch mich". Wenn man also GORT umstimmen will, dann muss man erst einmal Klaatu davon überzeugen, dass die Menschheit des Rettens würdig ist. Oder vielleicht "nur einer unter euch", sowas in der Art.

Klaatu, Helen und ihr aufmüpfiger Stiefsohn Jacob (Jaden Smith) sind bald zusammen auf der Flucht, die sich schwierig gestaltet. Helen mag betteln und um Hilfe flehen, Klaatu ist auf dem Ohr ziemlich taub.

Jacob ist eine Vollwaise und leidet noch sehr unter dem Tod seines Vaters. Seine Stiefmutter Helen tut ihr möglichstes, aber die Situation ist sehr schwierig. Jacob will sie nicht akzeptieren. Er ist ein typisches Kind: Alles ist entweder "gut" oder "schlecht", er lebt nach dem Lustprinzip, und er testet gerne seine Grenzen aus. Sein Urteil über Klaatu ist auch schnell gefällt: "schlecht". Helen bringt eine Engelsgeduld auf mit dem Knirps.

Die Beziehung Helen - Jacob spiegelt die Beziehung Klaatu - Mensch wider. Klaatu braucht eine Weile bis er gelernt hat, die Menschen einfach als Kinder zu sehen und zu akzeptieren. Mit seiner Spock-mäßigen trockenen Alien-Logik kann er die Menschen erst einmal gar nicht begreifen. Als Jacob viel später auf einer Brücke ausrutscht und Klaatu ihn rettet, ist er für einen Moment von seiner eigenen Reaktion überrascht.

Wie sich die Beziehung zwischen Helen und Jacob entwickelt wissen wir schon vom ersten Moment an. Was Klaatu umstimmen könnte bleibt uns verborgen, denn er zeigt keinerlei Mitgefühl oder menschliche Regung. Er ist erstaunt, als er bei einem Treffen mit einem anderen Alien, dem alten Mr. Wu (James Hong, Balls of Fury), hören muss, dass dieser nach 70 Jahren als Mensch nicht bereit ist, den Planeten zu verlassen, sondern hier sterben will.

Prof. Barnhart (John Cleese, demnächst: Pink Panther 2) erklärt Klaatu die Natur des Menschen: Wir entwickeln uns erst dann weiter, wenn wir am Abgrund stehen und uns nichts anderes übrig bleibt. Und Helen bittet darum, uns nicht zu vernichten, sondern uns bis zum Abgrund kommen zu lassen, uns diese Chance zu geben. (Erst) dann werden wir uns ändern...

Keanu Reeves hat in Der Tag, an dem Erde stillstand seine Emotionen ähnlich gut unter Kontrolle wie Michael Rennie im Original. Oft kann man sich den inneren Monolog des perfekten Klaatu vorstellen, in dem er über die unterbelichteten Menschen herzieht. Doch er ist ja Pazifist und da ist auch Sarkasmus nicht angebracht. "Denn sie wissen nicht, was sie tun" etc.

Jennifer Connelly überzeugt als Menschenkind, das um unsere Zukunft kämpft. Der kleine Jaden Smith fiel nicht sonderlich auf. Was ihn allerdings völlig überforderte war eine emotionsgeladene Szene. Die war aber auch nicht gerade gut gemacht, Kniefall und Tränen, da hat man fast schon wieder Verständnis dafür, dass Jaden das nicht vernünftig hingekriegt hat. Die Rettung waren dann Jennifer Connelys Arme... Wieso die Szene so im Film blieb, das kann nur Derrickson beantworten.

Für die Prison Break bzw. Robert Knepper Fans sei noch erwähnt: Robert Knepper (Hitman, demnächst: Transporter 3) hat ein Micro-Cameo als Colonel mit vielleicht 5 Zeilen Text, mehr als 5 Minuten lang sieht man ihn nicht, eher weniger. Kneppers Colonel kümmert sich um GORT.

Original Soundtrack zum Film: Der Tag, an dem die Erde stillstand - Soundtrack

Kurzinfo und Trailer:> Der Tag, an dem die Erde stillstand (2008)

Kritik und Trailer:> Der Tag, an dem die Erde stillstand (1951)

Der Tag, an dem die Erde stillstand
(2008) - Genre: Drama/Sci-Fi - deutscher Kinostart: 11.12.08 - FSK: ab 12 Jahren.

Drehbuch: David Scarpa, basierend auf dem Drehbuch Der Tag, an dem die Erde stillstand (1951) von Edmund H. North.
Regie: Scott Derrickson

Der Tag, an dem die Erde stillstand (2008) Cast:
Klaatu - Keanu Reeves
Helen Benson - Jennifer Connelly
Jacob - Jaden Smith
Ministerin Regina Jackson - Kathy Bates
Michael Granier - Jon Hamm
Jon Driscoll - Kyle Chandler (Operation: Kingdom)
Colonel - Robert Knepper
Mr. Wu - James Hong

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