30.06.2008

Happy-Go-Lucky Kritik und Trailer

Ich hatte erwogen, mir die Happy-Go-Lucky Kritik zu ersparen. Fast zwei Stunden ist dieser Streifen lang, hat mich schon genug Lebenszeit gekostet... Die Preview war in deutsch - möglich, dass die Originalfassung ein wenig besser kommt, aber ich bin nicht bereit, das zu testen.

Den Ankündigungen zufolge soll Happy-Go-Lucky ein humorvolles Feel-good-movie sein, eine Komödie. Selbst der Trailer ist derart rasant zusammengeschnitten, dass man das glauben könnte, vielleicht sogar annimmt, es könnte sich um eine romantische Komödie handeln. Leider ist Happy-Go-Lucky aber höchst nervig und stellenweise derart langatmig, dass ich sogar Mühe hatte, wach zu bleiben. (Nein, die Preview fand nicht zu fortgeschrittener Stunde statt.) Zwei andere Zuschauerinnen verließen schon nach den ersten 30 Minuten die Vorstellung - ich wünschte mir hinterher, ich wäre einfach auch gegangen. Aber ich hatte Hoffnung, dass sich in Happy-Go-Lucky noch etwas tut, dass sich das Leiden und die Engelsgeduld letztendlich auszahlt. War nicht. Falls ich in der Zukunft nochmal eine derart fürchterliche Zeit im Kino erlebe, werde ich mein Geld zurückverlangen. Das hätte ich nach dieser Preview auch machen sollen --- allerdings wollte ich da nur noch so schnell wie möglich 'raus aus dem Kino...

Da Filmemacher Mike Leigh (Vera Drake) es nicht für nötig hält das, was er mit Happy-Go-Lucky vermutlich sagen will, via einer halbwegs unterhaltsamen Story zu vermitteln, werde ich hier auch nicht die übliche Filmkritik bringen, sondern nur schnell ein paar Worte...

Eine durchgehende Story gibt es in Happy-Go-Lucky nicht, als Charakterstudie taugt der Film mangels authentischer Figuren auch nicht.

Poppy (Sally Hawkins) ist eine nervige Grundschullehrerin, die niemanden mit ihrem Gequassel verschont. Das soll uns als "happy" und gutgelaunt verkauft werden. Sie hält nur dann die Klappe, wenn man hoffen würde, dass sie ihren Mund aufmacht und ihre Meinung sagt, zum Beispiel gleich beim ersten Mal, als ihr Fahrlehrer (Eddie Marsan, Hancock) eine rassistische Bemerkung macht. Der Fahrlehrer ist ein Klischee, steht für jedes Vorurteil unter der Sonne. Moment, er steht nicht nicht nur dafür, er nennt sie alle sein eigen. Eddie Marsan ist beeindruckend in der Rolle als Fahrlehrer Scott.

Die im Happy-Go-Lucky Trailer verstümmelte Szene im Buchladen ist in Wirklichkeit viel länger, denn Poppy muss den bemitleidenswerten Buchhändler, dem der Sinn nicht nach Small Talk steht, gehörig vollquatschen. Sie beweist hiermit gleich ihre Respektlosigkeit und die fehlende Sensibilität gegenüber anderen Menschen (der Buchhändler läuft ihr einfach davon, doch das interessiert sie nicht, sie macht weiter). Auch schwer zu ertragen ist eine über Gebühr ausgedehnte Szene, in der wir ein paar betrunkenen Frauen (inkl. Poppy) ewig lange zuhören müssen, wie sie über wenig interessantes reden. Als einziger bei einer Party nüchtern zu sein ist nicht sonderlich aufregend, wir haben das sicher alle schon erlebt, und so ist auch diese Szene für die Zuschauer.

Nachdem wir Poppy hassen gelernt haben, werden uns dann ein paar Szenen geliefert, die diesen Blick revidieren sollen. Das haut nicht hin. Too little, too late - das ist die einzige Antwort, die mir dazu einfällt. Die Puzzle-Teile fügen sich nicht zu einem Bild zusammen, Poppy wird nicht zu einer glaubhaften dreidimensionalen Figur.

Ach ja, ein Mann fällt ihr dann gegen Ende auch noch vom Himmel in einer der Szenen, wo eigentlich nur noch ein Comic-Armor mit Pfeil und Bogen und ein innerer Monolog fehlt.

Wenn die Mogelpackung Happy-Go-Lucky, die keine Komödie ist, wenigstens ein halbwegs interessantes Drama oder eine interessante Charakterstudie wäre, dann wäre ich zufrieden, auch wenn mir eine Komödie angekündigt wurde. Man ist ja flexibel. Doch dieses unausgegorene Patchwork kommt daher wie das Ergebnis eines Brainstormings, das man 'mal eben mit improvisierten Szenen und wenig Editing auf Spielfilmlänge gebracht hat, um eine Deadline einzuhalten.

Nach der Vorstellung unterhielt ich mich noch mit einer Zuschauerin über die Szene, die mir am besten gefallen hat. Fast in jedem Film, sei er auch noch so grottig, gibt es bekanntlich mindestens eine gute Szene. In Happy-Go-Lucky war das für mich eine Szene mit Poppy und einem obdachlosen Mann. Das ist eine tolle, wunderbar ausdrucksstarke Szene. "Die ist völlig zusammenhanglos, die Szene, wie eingeschoben aus einem anderen Film", meinte die Zuschauerin. Damit liegt sie völlig richtig. Den Film, in den diese Szene passen würde, mit dieser Poppy, den würde ich liebend gerne sehen.....


Happy-Go-Lucky deutscher Trailer (1:48)




Original-Trailer Happy-Go-Lucky engl. (1:47)



Happy-Go-Lucky - deutscher Kinostart: 03.07.08 - FSK: ab 6 Jahren

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10 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Dem ist nichts mehr hinzuzufügen. Gute Kritik. Danke.

Anonym hat gesagt…
Der Kommentar wurde von einem Blog-Administrator entfernt.
Anonym hat gesagt…

Anonym 2:
Es ist immer gefährlich, mit unbestätigten Annahmen zu arbeiten - in diesem Fall, dass ich kein Jane Austen Fan wäre, verstehe ich das so richtig? Falsch! Interessant, dass Anonym ausgerechnet annimmt, dass Literaturfans Poppy mögen würden. Ich empfand die Szene im Buchladen als schmerzhaft.

happy-go-lucky ist ein feststehender Begriff. Mir ist aufgefallen, dass sich viele Menschen den Titel nicht merken konnten, und mich deshalb nach allem möglichen fragten. Ich will hier die Phantasie-Titel gar nicht wiederholen;) -- deshalb würde ich fast annehmen, dass der Ausdruck vielen überhaupt nicht geläufig ist. Ich habe allerdings keinen Bildungsauftrag.... (froh drüber)

Dass die Filme bestimmter Filmemacher aufgrund ihrer Historie oft viel milder beurteilt werden ist wohl kein Geheimnis (Woody Allen und Co.). Einige der "weniger eindrucksvollen" Filme dieser Filmemacher bekommen trotz allem eine Review - hätte ein unbekannter ein derartig "wenig eindrucksvolles" Filmchen abgeliefert, müsste er mit einem kalten Klima rechnen, bzw. würden von vornherein weniger Kritiker ihre Zeit damit "verschwenden", darüber zu schreiben. Dieses Verhalten macht für mich keinen Sinn.

Ich halte es für ein Cop-out, das "Schema" zu bemühen... Einfach nur "anders" zu sein ist nicht automatisch ein Qualitätssiegel. Auch Filmemacher, die in der Vergangenheit interessante Filme geliefert haben, können 'mal weniger interessantes abliefern. Das ist okay. Aber jeder Film ist eben für sich als Kunstwerk anzuschauen, denn das ist das, was der Zuschauer sieht, der in's Kino geht. Nicht das Gesamtwerk, sondern einen Film.

Ich fühle mich nicht den Filmemachern verpflichtet, sondern den Zuschauern.

Nach der Bemerkung re: Jane Austen und "deutsch" - Schubladendenken much?

Anonym 2 meint, es sei schlimm, die Erwartungen nicht zu erfüllen. Ich will niemanden den Tag versauen, drum halte ich mich am besten geschlossen;).

RE: Technische Problem. Es ist eigentlich ganz einfach: Wer keinen Blogger Account hat, der kann entweder als anonym posten oder - was ich bevorzugen würde - einen (Nick-) Namen eintragen. Eigentlich ganz einfach... dachte ich.

Anonym hat gesagt…

@ Anonym 2:

Abgesehen davon, daß die Haltung, etwas zu mögen, weil es eine imaginäre und nicht klar definierte "Masse" nicht versteht doch auch etwas von dem Gestus eines Teenagers hat, der eine Band nicht mehr hören will, weil sie jetzt populär ist (Thema: Sell out!) tust Du dem Rezensenten meiner Meinung nach ziemlich unrecht. Denn gerade dadurch, daß er (sie?) sich nicht in die unreflektierten Lobeshymnen auf den Film einreiht, beweist er doch eine von der Masse abweichende Meinung.

Mich würde mal interessieren, wie viele der Leute, die den Film gesehen und in ihr sonniges Herzchen geschlossen haben, in der Realität einer Person wie Poppy aufgeschlossen gegenüberstünden. Es ist immer ziemlich einfach, Figuren wie Poppy (oder Amélie) zu verteidigen, weil sie doch das Leben positiv sehen und einen "Zauber in den Alltag bringen" etc. Aber ganz ehrlich, wenn so jemand sich in der U-Bahn neben einen setzt und unaufgefordert ein abgedrehtes Gespräch anfängt, was macht dann der Durchschnittsmensch? ipod lauter drehen, Buch höher halten, etwas abrücken, oder?

Außerdem: Wie nett, sich selber einer eingebildeten Elite zugehörig zu fühlen, weil man Austen liest und klassische Musik hört und automatisch annimmt, andere tun dies nicht. Wie steht es denn mit Deinem Zugang zur Klassik? Nenn doch bitte Deine 5 liebsten Komponisten. Worin besteht bei ihnen dein persönlicher Zugang? Wenn ich einfach mal eine Vermutung abgeben soll, so wie Du es in Deinem Post machst, könnte ich gemeinerweise sagen: Auf Platz 1 steht sicher Mozart, dann kommt lange gar nichts, dann die 3 Tenöre, oder? Nein, natürlich nicht, aber es fühlt sich nicht so schön an, wenn jemand, der einen gar nicht kennt, einen als weniger intellektuell abtut, nur um ein schlagendes Argument zu präsentieren.

Um mich dann doch ein wenig versöhnlich zu zeigen, zitier ich Dir auch ein wenig TNG und sage: Je höher, desto weniger! Lachstunde. Ha! (Lwaxana Troi zu Alexander auf dem Holodeck in einem Spaßprogramm, bei dem Poppy bestimmt auch ihre Freude hätte).

Anonym hat gesagt…

Gute Kritik. Habe den Film gestern geshen und du sprichst mir aus dem Herzen. Habe gerade mal ein paar andere Seiten gelesen, wo der Film super wegkommt und wollte schon verzweifeln. Keine Ahnung wie man drauf sein muß um diesen Film als Meisterwerk zu loben. Aneinadergeklatschte Szenen, im Rahmen einer Abschlußarbeit einer Filmakademie entstanden - so kommt er rüber. Wobei ich da vielen anderen Abschlußarbeiten unrecht tue. Nehm ich also zurück.
Na ja, Geschmäcker sind halt verschieden. Ich versuch den Film mal darunter einzuordnen.

Muß ich auch was zu meinen Lieblingkomponisten sagen :-)

Ein anderer Anonymer ohne account. MM

Anonym hat gesagt…

Ihre Kritik spricht mir aus der Seele. Selten einen so banalen, klischeehaften Film gesehen.
Dieses ewige Lachen ist in dieser Fülle für mich nur noch künstlich und dadurch total nervig. Es gibt durchaus Komödien, die in ihrer Leichtigkeit geistreich sind und Niveau haben. Dieser Film gehört nicht dazu. Ich kann nur davor warnen, dafür Geld auszugeben.

Anonym hat gesagt…

Ich habe mir gestern den Film angeschaut. Und das soll eine Komödie sein? Dann habe ich wohl keinen Humor. Diese Art von Witz nervt einfach nur.
Und was sollte der Schluss des Films? Ich sass da und dachte: "Das kann ja wohl nicht wahr sein, das soll's jetzt gewesen sein? Wo ist der Schluss??".
Vor allem kann ich nicht verstehen, weshalb solche Filme immer noch preisgekrönt werden!

Anonym hat gesagt…

Nimm bitte meinen ersten Kommentar noch raus. Danke! Jadzeli

Anonym hat gesagt…

Nochmal deutlich: Bitte lösche Post 2, der im PS ein Jadzeli hat. Da du nicht auf deinem Blog veröffentlicht, erwähnt oder deutlich gemacht hast, dass die Posts von dir auch auf Aufforderung hin nicht gelöscht werden, bist du verpflichtet, den Post zu löschen. Gruß Jadzeli

Anonym hat gesagt…

vor'm Kommentieren bitte lesen. Danke!